Bad Honnef – Anlässlich des Jahrestags der Reichspogromnacht versammelten sich heute Abend zahlreiche Bürgerinnen und Bürger am Gedenkort an der Linzer Straße, wo einst die jüdische Synagoge der Stadt stand. Sie wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von Nationalsozialisten zerstört. Die jährliche Gedenkveranstaltung erinnert an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und mahnt, Antisemitismus und Rassismus in der Gegenwart entschieden entgegenzutreten.

Bürgermeister Philipp Herzog eröffnete die Veranstaltung mit einer eindringlichen Rede. Er erinnerte an die jüdische Gemeinde, die einst fest zum Stadtleben gehörte: „Kurz vor dem Ersten Weltkrieg lebten hier 20 Familien mit insgesamt 68 Personen. Sie waren unsere Nachbarn, Freunde und Mitbürger.“ Herzog betonte, dass die Erinnerung nicht nur den zerstörten Gebäuden, sondern vor allem den Menschen gelte, die verfolgt, deportiert und ermordet wurden.
Mit Blick auf die Gegenwart zeigte sich der Bürgermeister besorgt über die Zunahme antisemitischer Straftaten in Deutschland, insbesondere seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023. „Antisemitismus ist kein längst vergangenes Kapitel unserer Geschichte, sondern traurige Realität unserer Gegenwart“, sagte Herzog. Viele Jüdinnen und Juden lebten heute wieder in Angst und müssten ihre Identität verbergen. Die Gedenkveranstaltung sei daher auch ein Zeichen gegen jede Form von Extremismus und für die Verteidigung demokratischer Werte.

Auch der katholische Pfarrer Markus Hoitz, seit September neuer Pfarrer in Bad Honnef und Unkel, sprach bei der Gedenkfeier. Er berichtete von der jüdischen Frau Karolin Levi aus Oberdollendorf, die 1942 deportiert und in Theresienstadt ermordet wurde. Seine Großmutter habe auf der Straße lautstark gegen die Deportation demonstriert, woraufhin eine lokale Nazi-Größe zu ihr gesagt habe: „Wenn du nicht die Schnüss hältst, sorge ich dafür, dass du genau dorthin kommst, wo die hinkommt.“
„Diese Erzählung meiner Großeltern sitzt mir bis heute in den Knochen“, sagte Hoitz. Er erinnerte daran, dass auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge an der Linzer Straße seit der Zeit der Arisierung 1939 eine Tankstelle steht – ein Zustand, den er als „unwürdig“ bezeichnete.

Einen besonderen Beitrag leisteten Schülerinnen und Schüler Bad Honnefer Schulen, so Mitglieder der Courage-AG des Siebengebirgsgymnasiums. Sie trugen den Text einer jungen jüdischen Bad Honneferin vor, die ihre Gedanken zur aktuellen Situation jüdischen Lebens in Deutschland teilte. In ihrem anonymisierten Statement beschrieb sie ihre Angst, sich öffentlich als jüdisch zu bekennen, und zog Parallelen zwischen den Ereignissen von 1938 und dem heutigen Antisemitismus. Zugleich äußerte sie Hoffnung: „Ich sehe hier so viele Menschen mit genau dem Mitgefühl, das wir heutzutage brauchen – und das damals gefehlt hatte.“
Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von der Musikschule der Stadt Bad Honnef.

An der Gedenkveranstaltung nahmen auch die beiden im Bad Honnefer Rat vertretenen AfD-Stadträte, Nicole Pax und Stefan Zehnpfennig teil, die an der Gedenkstätte neben dem städtischen Kranz einen eigenen niederlegten – ohne AfD-Aufdruck.
Mit weiteren Gedenkveranstaltungen in den kommenden Tagen – unter anderem zum Volkstrauertag am 15. November sowie bei Kranzniederlegungen auf den Friedhöfen der Stadt – will Bad Honnef die Erinnerung an die Opfer von Krieg, Gewalt und Verfolgung wachhalten.
Bürgermeister Herzog appellierte abschließend an die Anwesenden, Verantwortung zu übernehmen: „Demokratie und Freiheit sind nicht selbstverständlich. Sie müssen geschützt und verteidigt werden – jeden Tag und von uns allen.“






