Bad Honnef – Die Finanzsituation vieler NRW-Kommunen ist dramatisch. Fehlende Gelder verhindern dringend erforderliche Gestaltungsmöglichkeiten. Nun zogen Verantwortliche verschiedener Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis die Reißleine und schickten eine Resolution zur Gemeindefinanzierung an Ministerin Ina Scharrenbach.
Darin steht unter anderem, dass immer weniger Menschen bereit seien, sich in kommunale Ehrenämter wählen zu lassen. Aus Unzufriedenheit würden Bürgerinitiativen sogar Abwahlverfahren gegen Gemeindeoberhäupter initiieren. Die Unterzeichner weisen nicht nur auf die hohen Zustimmungswerte für populistische Parteien hin, sondern auch auf die Gefährdung der Demokratie, sollte es keine bessere Gemeindefinanzierung geben. Die beabsichtigte Gesetzesänderung zur GO NRW, mit der die (finanzielle) Handlungsfähigkeit gestärkt werden soll, würde die Probleme nicht lösen. Nötig seien dringend echte „Finanzhilfen“ für die kommunale Familie.
Sehr geehrte Frau Ministerin,
die Räte der Städte Bornheim, Bad Honnef und Meckenheim, sowie der Gemeinden Alfter, Swisttal und Wachtberg haben jeweils Resolutionen zur Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit und Gemeindefinanzierung beschlossen. Nach meinen Informationen werden sich weitere Räte der Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises mit dieser Resolution befassen.
Ich sende Ihnen die Resolutionen, verbunden mit der Bitte, mit einer kritischen Auseinandersetzung der Lage der kommunalen Finanzsituation im Rahmen des Gesetzänderungsverfahrens zum 3. NKFWG, zu.
Trotz struktureller Unterschiede unserer Kommunen im Kreisgebiet, fehlt es grundsätzlich an einer soliden Finanzausstattung durch den Bund und das Land, um alle gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen auf kommunaler Ebene meistern zu können. Die aktuelle Entwicklung rund um die Aufstellung der Haushaltspläne zeigt, dass die finanzielle Situation der Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis dramatisch ist. Die Diskussionen um (teilweise drastische) Hebesatzerhöhungen in einigen Kommunen für die Grund- und Gewerbesteuer verdeutlichen, vor welchen enormen Herausforderungen Politik und Verwaltungen stehen.
Wir sehen in massiver Weise die Demokratie an der Basis gefährdet. Während einerseits die Zustimmungswerte für populistische Parteien besorgniserregende Höhen erreichen, nehmen wir andererseits wahr, dass sich immer weniger Menschen finden lassen, die bereit sind, sich in kommunalen Ehrenämtern zu engagieren. Dies ist unseres Erachtens auch eine Folge fehlender Gestaltungsmöglichkeiten infolge der zunehmend angespannten Haushaltslagen. Mit großer Sorge betrachten wir auch die höchst problematischen Vorgehensweisen verschiedener Bürgerinitiativen, wie beispielsweise das Begehren eines Abwahlverfahrens gegen den Bürgermeister der Gemeinde Alfter.
Begleitend zu den beigefügten Resolutionen der Räte möchten wir daher, als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie als Kämmerinnen und Kämmerer der Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises, unsere dramatische Situation nochmals deutlich untermauern und bitten eindringlich um Ihre Hilfe.
Im Kern müssen wir leider feststellen, dass trotz der Bemühungen der Landesregierung, durch die beabsichtigte Gesetzesänderung zur GO NRW den Kommunen ihre (finanzielle) Handlungsfähigkeit zu stärken, keine tatsächliche und effektive Entlastung bringt. Die seit vielen Jahren nicht-adäquate Finanzausstattung der Kommunen zeigt sich in der gegenwärtigen schwierigen Lage in dramatischem Ausmaß. Die Kumulation der Krisensituationen ver- bunden mit der Übertragung von weiteren Aufgaben haben die Rahmenbedingungen für die Kommunen weiter verschlechtert. Wir fordern daher, die Einhaltung des Konnexitätsprinzips gemäß Artikel 78 der Landesverfassung NRW, welches bestimmt, dass die Kommunen eine angemessene Ausstattung zur Finanzierung der von Ihnen übertragenen Aufgaben erhalten.
Erschwerend kommt hinzu, dass die kommunalen Steuereinnahmen durch verschiedene Gesetzesinitiativen auf Bundesebene beeinträchtigt werden. Nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes belaufen sich die gemeindlichen Mindereinnahmen alleine aufgrund des Wachstumschancengesetzes auf schätzungsweise über 8,5 Mrd. € im Zeitraum 2024 bis 2027.
Wir sind der Auffassung, dass unbedingt und dringend echte „Finanzhilfen“ an die kommunale Familie gegeben werden müssen. Der Verbundsatz des GFG muss aufgestockt werden, und zwar mindestens auf 28,5 %. Wir haben mehrfach dargelegt, dass die seinerzeitige Absenkung des Verbundsatzes auf 23 % eine der zentralen Ursachen für die Unterfinanzierung der Kommunen in NRW ist. Aufgrund des im Ländervergleich hohen Kommunalisierungsgrades in NRW, ist dieser Satz als unterdurchschnittlich zu bewerten.
Uns ist durchaus bewusst, dass auch dem Land keine unendlichen Finanzmittel zur Verfügung stehen. Allerdings bedarf es dringend dieser genannten echten Finanzhilfen. Anderweitig ist eine nachhaltige und dauerhafte Konsolidierung der kommunalen Haushalte nicht möglich. Trotz der Gesetzesänderungen sind wir gezwungen, insbesondere über die Anhebung der Realsteuerhebesätze und weitere drastische Einschnitte bei den kommunalen Leistungen die Schieflage in unseren Haushalten aufzufangen. Ein ungebremster Verzehr des Eigenkapitals und weiterer Aufwuchs der Verschuldung entspricht nicht den Haushaltsgrundsätzen und verschärft die ohnehin angespannte Lage nochmal mehr. Die ersatzweise nun angedachten Änderungen des Haushaltsrechts können lediglich helfen, Zeit zu gewinnen und stellen somit bestenfalls eine temporäre Zwischenlösung dar.
Die im Gesetzesentwurf nun vorgesehene Einführung eines Verlustvortrages mag es manchen Kommunen gestatten, in diesem Jahr auf die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts verzichten zu können. Aufgrund der vorgesehenen Verrechnung mit der Allgemeinen Rücklage nach drei Jahren, wäre dann aber bereits im kommenden Jahr ein HSK aufzustellen.
Umso unverständlicher erscheint uns vor diesem Hintergrund, dass die vormals angedachte Streichung der Regelung zum Verzehr der Allgemeinen Rücklage um mehr als 5% in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nun doch beibehalten werden soll.
Kritisch sehen wir zudem die Vorschrift, Liquiditätskredite perspektivisch innerhalb von drei Jahren zu tilgen, was in der Praxis vielerorts allenfalls durch die Aufnahme neuer Liquiditätskredite möglich sein wird.
Wir möchten stattdessen anregen, die nachstehenden drei Optionen zu prüfen und nach Möglichkeit bei der Überarbeitung der Gemeindeordnung aufzunehmen:
1. Nicht-Berücksichtigung der Abschreibungen bei den Bestimmungen zum Haushaltsausgleich respektive zum Haushaltssicherungskonzept
2. Wertung der Sonderposten als Bestandteil des Eigenkapitals
3. Berücksichtigung des globalen Minderaufwands auch in der Finanzrechnung zur Reduzierung des planerischen Kreditbedarfs
Wir bitten Sie eindringlich, Ihren Einfluss geltend zu machen und Ihrer Verantwortung aus der Landesverfassung NRW heraus nachzukommen, und den Kommunen eine aufgabenadäquate Finanzausstattung zu garantieren. Helfen Sie uns dabei, die Funktionsfähigkeit der Kommunen sicherzustellen und leisten somit einen wichtigen Beitrag, um unsere demokratischen Strukturen zu verteidigen.
Unterzeichnet von 19 Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises
Zur Erhaltung der kommunalen Handlungsfähigkeit
Resolution der Kommunen des Rhein-Sieg-Kreis