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Porta Nigra als Simeonskirche, Stich von Caspar Merian, 1670 - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:St._Simeon_Trier_Caspar_Merian_1670_gross_new.jpg

Sind Kirchenabrisse unheilig und respektlos?

Von Thomas Napp

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Rheinbreitbach – Die Diskussion um die finanzielle Zukunft der christlichen Kirchen in Deutschland ist in voller Fahrt. Auch im Kreis Neuwied sowie den Verbandsgemeinden Bad Hönningen, Linz und Unkel gab und gibt es bereits Entwicklungen zu diesem Thema. Einer der Hauptansätze der Kirchengemeinden ist hierbei die Reduktion der Fixkosten. Während die einen über Reduktion von Personal und Zusammenlegung von Gemeinden nachdenken, diskutieren andere bereits über den Um- und Abbau von Kirchen sowie die Verkleinerung des Gebäudebestandes.

In dem kleinen Dörfchen Ariendorf wurde bereits die 1957 erbaute Filialkirche 2009 abgerissen, da die Anzahl der Christen zur Unterhaltung der Kirche nicht mehr ausreichten. Die Messen finden dort wieder in der alten Kapelle statt. In Linz am Rhein entschied sich die katholische Kirchengemeinde 2021 ebenfalls für den Abriss der 1967 erbauten Marienkirche, da eine Sanierung des stark angegriffenen Gebäudes unwirtschaftlich war. Architekturliebhaber begrüßten die Entscheidung, da der massige Betonklotz schwer im Herzen der Linzer Altstadt lag. An Stelle der Marienkirche soll nun ein Treffpunkt für alle Generationen entstehen, der sich architektonisch harmonisch in die Umgebung einfügen soll.

Auch in Rheinbreitbach gibt es seit April 2023 Überlegungen, die Kirche Sankt Maria Magdalena wieder auf die alte Größe zu verkleinern.

Immer wird bei diesen Überlegungen das Argument laut, dass ein Kirchenabriss bzw. Kirchenumbau unheilig und respektlos gegenüber Gott oder den Erbauern der Kirche sei. Dabei haben Umnutzungen, Abrisse oder Umbauten bei Kirchen und heiligen Stätten weltweit eine lange Tradition. Die Hagia Sophia in Istanbul beispielsweise war einst eine christliche Kirche, die nach der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen zur Mosche umgebaut wurde. Die römischen Tempel der Antike wurden von den Christen entweder zerstört oder als Kirche umfunktioniert und umgebaut. In Rom gibt es zahlreiche Kirchen, die einst römische Tempel waren und später anderweitig umgenutzt wurden. Das Wahrzeichen von Trier, die Porta Nigra, wurde einst als Wehrbau errichtet, dann zeitweise als Kirche im Mittelalter umgenutzt, bevor Napoleon ab 1802 die Kirche zurückbauen ließ, um das römische Tor (heute UNESCO Weltkulturerbe) wieder sichtbar zu machen.

Auch in Köln gibt es zahlreiche Beispiele von (Stifts-)Kirchen, die nach dem Einmarsch der Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts sowie später von Napoleon Bonaparte enteignet und später abgerissen wurden. So wurde die Kirche St. Maria ad Gradus, die in der Verbandsgemeinde Unkel sowie in Rheinbreitbach zahlreiche Weinbauflächen und Höfe besaß (beispielsweise die Obere Burg in Rheinbreitbach), 1817 abgerissen. Vorab hatte man sie noch als Lagerraum und Pferdestall genutzt. Zum Erhalt des Gebäudes fehlten letztlich jedoch die finanziellen Mittel. Die letzten Grundmauern der Stiftskirche wurden beim Bau des Domhügels 1827 für den Kölner Dom vernichtet. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Abtei Heisterbach nach der Säkularisation in Königswinter. Heute steht nur noch die Chorruine.

Den Verantwortlichen für die Umnutzung und den Abbruch der Kirchen ein unheiliges oder respektloses Verhalten vorzuwerfen, ist hierbei noch nie gemacht worden. Im Gegenteil: Zur Sicherung der Kirche und des christlichen Glaubens haben die Vertreter schwerwiegende Entscheidungen und große Verantwortung übernommen, um den Glauben und den Fortbestand der Kirche insgesamt in dieser Zeit zu sichern, was sie auch erfolgreich taten. Sie ehrten hiermit auch das Erbe der christlichen Vorfahren sowie die Erbauer der abgetragenen und ungenutzten Kirchen, deren tiefe Intention die Weitergabe des christlichen Glaubens an zukünftige Generationen war. Denn schlussendlich geht es um die gelebten christlichen Werte von Nächstenliebe und Mitgefühl, die nicht nur an ein Gebäude aus Stein und Mörtel gebunden sind.

Zudem muss sich das Christentum auch an die realen Gegebenheiten anpassen. Kirchengebäude weiter zu erhalten, obwohl die Gemeinschaft dahinter nicht mehr existiert, ist nur noch eine leere und kostspielige Wertehülle. Denn Christentum bedeutet auch immer Gemeinschaft, die sich dann in einer Kirche manifestiert und nicht umgekehrt. Nicht umsonst entscheiden sich Kirchengemeinden für den Abriss und den Umbau von Kirchen, um dort soziale Einrichtungen wie Behindertenwohnheime, Hospize, Mehrgenerationenwohnheime oder Kindertagesstätten zu errichten. Denn dort lassen sich die Werte des Christentums aktiv weitergeben, die dann wieder zu einer lebendigen christlichen Gemeinschaft führen. Ob dieser Weg unheilig oder respektlos ist, dass muss jeder Christ für sich selbst entscheiden.

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