Bad Honnef – Dass Politiker und politische Parteien – vor allem vor Wahlen – für sich werben dürfen, ist demokratisches Recht. Auch die personalisierte Ansprache bei Werbeflyern ist trotz DSGVO möglich. Die Daten dafür können sogar Kommunen zur Verfügung stellen, sofern die Bürgerinnen und Bürger nicht zuvor widersprochen haben.
Im Bad Honnefer Altenheim „Haus am Drachenfels“ geht man allerdings aktuell einen anderen Weg. Dort haben Politiker*innen noch nicht einmal die Chance, Flyer auszulegen. Angeblich wegen der Corona-Ansteckungsgefahr.
So berichtet die frühere stellvertretende SPD-Bürgermeisterin Annette Stegger, ihr sei nicht erlaubt worden, Wähler*inneninformationen im „Haus am Drachenfels“ auszulegen. Man habe ihr gesagt, durch die Wahlflyer könnten sich Corona-Viren ausbreiten. Die Bewohner sollten sich über die Presse informieren.
Auf Nachfrage von „Honnef heute“ bestätigt das Altenheim den Vorgang. Die stv. Einrichtungsleitung Annette Draber bezieht sich auf einen trägereigenen Erlass, der das Auslegen von Flyern untersage. Sie gingen durch mehrere Hände und stellten coronabedingt eine Ansteckungsgefahr für die Bewohner*innen dar. Selbst Bücher oder Kulis dürften nicht ausgelegt werden.
Warum aber dann Zeitungen erlaubt sind, ist für Annette Stegger schleierhaft: „Zeitungspapier ist demnach also ungefährlich. Diese widersprüchliche Argumentation macht deutlich, dass das Corona-Argument nur vorgeschoben ist.“
Allerdings weist Annette Draber darauf hin, dass sie von der Zeitungsempfehlung nichts wisse. Dazu habe die Leitung des Hauses nichts gesagt.
Die SPD-Politikerin wird noch deutlicher:
„Die Heimleitung maßt sich an, über die Köpfe der Bewohnerinnen und Bewohner hinweg zu entscheiden, welche Wahlinformationen sie erreichen. Man mag die Frage stellen, wie informativ und aussagekräftig die Flyer und Broschüren wirklich sind. Aber darum geht es nicht. Dem Heim steht es schlichtweg nicht zu, die dort lebenden 70 Honnefer Bürgerinnen und Bürger zu bevormunden und von der Möglichkeit fernzuhalten, sich eine eigenständige politische Meinung zu bilden. Möglicherweise haben nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner Interesse an der Wahlwerbung. Manche werden die Flyer in den Papierkorb werfen oder gar nicht erst anschauen. Aber das sollten die Menschen, bitteschön, selbst entscheiden.“
Annette Stegger, die auch Mitglied im Vorstand des Pflegeschutzbundes BIVA ist und gemeinsam mit ihrem Mann, Manfred Stegger, die Stiftung Stark im Alter ins Leben rief, deckte eine weitere Unstimmigkeiten im „Haus am Drachenfels“ auf. Auf die Frage, ob sie die Flyer nicht in die persönlichen Briefkästen der Bewohner*innen im Haus werfen könne – wie beispielsweise in der Parkresidenz -, wurde ihr mitgeteilt, dass es keine gibt. Stegger: „Die Heimleitung kann demnach jederzeit genau nachvollziehen, wer von wem wie viel Post bekommt. Das bedeutet ein Mangel an Privatheit und Selbstbestimmtheit für die Bewohnerinnen und Bewohner. Schon lange gelten private Briefkästen in Altenheimen als „weiches“ Qualitätsmerkmal.“
Dass politische Parteien in Altenheimen nicht werben dürfen, trifft beispielsweise bei DIACOR nicht zu. Geschäftsführer Markus Jeß betont, dass in den DIACOR-Einrichtungen – zurzeit unter Corona-Bedingungen – natürlich auch Flyer ausgelegt werden können. Schließlich gehöre die politische Information gerade vor Wahlen ja mit zur Demokratie.
Die Einrichtung „Haus am Drachenfels“ gehört zur Korian-Gruppe, laut Wikipedia „ein französisches Unternehmen, das in Frankreich, Deutschland, Italien und Belgien in vier Kernbereichen aktiv ist: Pflegeeinrichtungen, Rehabilitationszentren für Senioren, Betreutes Wohnen und Ambulante Pflegedienste“.
Die Gewerkschaft ver.di widmet sich in einem Beitrag unter dem Titel „Raubritter der Pflege“ ebenfalls mit der Korian-Gruppe. Demnach soll sie durch diverse Übernahmen ihren Umsatz binnen zehn Jahren auf rund drei Milliarden Euro erhöht haben. Mehr zu dem ver.di-Beitrag hier.
Es scheint als habe Frau Stegger einen guten Aufhänger gesucht und gefunden um auf ihre privaten Engagements zu verweisen. Ich bin im gleichen Wahlkreis betroffen und habe bei allen Alteneinrichtungen diese Erfahrung gemacht. Sie deshalb zu diskreditieren, ist mir allerdings nicht in den Sinn gekommen. Nur zu klagen ersetzt keine gute Politik ! Mein Eindruck ist und bleibt, dass sich die Bewohner unserer Alten- und Pflegeeinrichtungen durchaus selbst(bewusst)informieren und dann auch entscheiden.
Hansjörg Tamoj CDU Wahlkreiskandidat Rhöndorf-Süd (WK 20).
Leider hat die Bürgerinitiative „Rettet den Stadtgarten“ die gleichen Erfahrungen gemacht. Unsere Flyer durften nicht in die innen liegenden Briefkästen der Parkresidenz, die ja auch an den Stadtgarten angrenzt, verteilt werden. Dann sollten sie intern vom Personal in die Briefkästen eingelegt werden, doch musste ich sie allerdings am Ende wieder abholen. Entscheidung von der Verwaltung. Einige der Mitarbeiterinnen sahen das anders als ihr Arbeitgeber, wie ich selber mitbekam und hätten gerne die Flyer weitergegeben, aber… Auch hier sieht man mal wieder, wie alte Menschen bevormundet werden!