Bad Honnef – Mit deutlichen Worten reagiert der Sprecher des BUND Rhein-Sieg, Achim Baumgartner, auf die Entscheidung des OVG Münster zum Kahlschlag im Bad Honnefer Stadtwald. Mit seinem Beschluss habe das Gericht festgestellt, dass selbst über 100 ha Kahlschlagfläche im FFH-Gebiet Siebengebirge (FFH > Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft) im Bad Honnefer Stadtwald mit dem FFH-Gebietsschutz vereinbar sei. Der großflächige Einschlag, „obwohl nicht aus dem Projektentwicklungsplan des hier laufenden Naturschutzgroßprojektes chance7 ableitbar“, sei eine Maßnahme der FFH-Gebietsverwaltung und daher ohne FFH-Prüfung zulässig. Auch ohne Kartierung der betroffenen Arten seien artenschutzrechtliche Verstöße durch den Einschlag ebenfalls nicht zu befürchten.
Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichtes, der Einschlag erfolge im Rahmen der Gebietsverwaltung, stehe dabei im klaren Widerspruch zu seiner eigenen Feststellung, „dass die das Holz einschlagende Stadt Bad Honnef hier „jedenfalls nicht als Behörde gehandelt hat“. Das OVG schenkt inhaltlich der irritierenden These des Forstdirektors Stefan Schütte Glauben, mit dem großflächigen Einschlag der befallenen Fichte seien weiterhin gesunde Fichtenbestände zu erhalten, in deren Schatten eine Buchenentwicklung, die FFH-Entwicklungsziel ist, durchgeführt werden könne“, so Dipl.-Ing. Baumgartner. Es werde also abzuwarten sein, ob „dieses außerordentlich fragliche Versprechen des Forstdirektors Schütte angesichts des Klimawandels und der weit fortschreitenden Kalamität eingehalten werden wird“.
Schon während der kurzen Laufzeit des Rechtsschutzverfahrens vom August bis Dezember 2019 hätte die anvisierte Kahlschlagfläche der Fichte im Stadtwald von 65 auf 109 ha erweitert werden müssen, erklärt Baumgartner. Aktuell seien 54 Kahlschläge allein im Bad Honnefer Stadtwald geplant. Im nächsten Jahr werde landesweit ein weiterer Anstieg der Kalamität erwartet.
Der BUND hatte dagegen dafür plädiert, den verbleibenden Schirm der sterbenden Fichten soweit als möglich unmittelbar für die weitere Laubwaldentwicklung einzusetzen und damit einen maximalen Klima- und Bodenschutz auf der Fläche mit modernen Naturschutzmaßnahmen zu verbinden.
Baumgartner: „Diese waldökologischen Argumente, die sich auch im Projektentwicklungsplan des Naturschutzgroßprojektes chance.7 und in den Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz für den Umgang mit Borkenkäferflächen wiederfinden, hat das Gericht dagegen nicht aufgegriffen. Mit seinem Beschluss weist der ganz neu gebildete 21. Senat des OVG Münster den Rechtschutzantrag des BUND zum Stopp des ungeprüften Einschlages von BorkenkäferFichten zurück.“ Der Beschluss stehe damit im harten Gegensatz zu zahlreichen Urteilen des EuGH. Der EuGH hätte immer wieder deutlich gemacht, dass selbst reguläre Arbeiten der Flächennutzung als FFH-prüfpflichtige Projekte aufzufassen seien, wenn sie erhebliche Auswirkungen auf den Gebietsschutz haben könnten.
Laut Baumgartner verkenne das Gericht die erheblichen negativen Wirkungen der großen und zahlreichen Kahlschlagflächen auch von Fichte auf die übrigen biotischen und abiotischen Schutzgüter. Es vertraue der „außerordentlich gewagten Einschätzung der Kreisverwaltung und des Forstdirektors Stefan Schütte“, der Einschlag der Fichte könne dem Erhalt verbleibender Fichten dienen.
Der Beschluss des OVG stehe aber nach Auffassung des BUND-Sprechers auch im Widerspruch zum sonstigen Vollzug des Naturschutzrechts. Jede Probebohrung, jeder Leitungsgraben und jeder Neubau einer Grillhütte unterliege im FFH-Gebiet der FFH-(Vor-)Prüfung. Das unterstreiche seiner Meinung nach die niedrige Prüfschwelle für den Start einer FFH-Zulassungsprüfung. Baumgartner: „Die völlige Zerstörung eines Ökosystems durch Großmaschinen auf riesigen Flächen und ohne den Einsatz von Vermeidungsmaßnahmen und ohne Artenschutzprüfung soll, so das OVG, dagegen nicht nur wirkungslos für das Schutzgebiet sein, sondern sogar Teil seiner naturschutzfachlichen Entwicklung.“
Erstaunen löse auch die Vorstellung des Gerichts aus, wonach das forstrechtliche Kahlschlagverbot „z. B. des § 1b und eine Beschränkung von Kahlschlägen auf maximal 2 ha im § 10 (2) Landesforstgesetz NRW hier nicht relevant sein sollen und außerdem die Verbote der Naturschutzgebietsverordnung für den Forst keine Verbindlichkeit hätten“.
Wegen der erheblichen Widersprüche des Beschlusses prüfe der BUND nun, den Fall der EU als Beschwerde vorzulegen. Baumgartners Resümee: „Leidtragende des OVG-Beschlusses ist einmal mehr die Natur selbst, die massive Bodenschäden, enorme Störungen und Beeinträchtigungen der Arten und erheblich erhöhten Klimastress auf den Kahlschlagflächen hinnehmen muss. Gegen Deutschland läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen des unzureichenden FFH-Schutzes.“
Infos zum Thema
Bundesbürgerinitiatve Waldschutz:
„Fichten, die schon braun sind bzw. an deren Stämmen die Borke schon abblättert, braucht man zur „Ausbreitungsprophylaxe“ nicht mehr zu entnehmen, weil dann die meisten Borkenkäfer schon ausgeflogen sind. Die Besiedlung durch den gefürchteten Buchdrucker erfolgt an noch grünen, aber schon abwehrgeschwächten Fichten. Man müsste schon sehr sorgfältig bzw. mit sehr hohem Aufwand hinterher sein, um die besiedelten Bäume schon in der Initialphase zu erkennen und zu ernten – eher illusorisch“.
„Deswegen müssen wir jetzt handeln und den Borkenkäfer effektiv bekämpfen. Hier ist finanzielle Hilfe und eine unbürokratische Umsetzung gefragt, um noch größere Schäden in unseren Wäldern zu verhindern“, sagt Vorsitzende der NRW-Waldbauern, Philipp Freiherr Heereman. Die Mittel sollen vor allem zur Bekämpfung der Schädlinge sowie für zusätzliche Lagerkapazitäten für Holz verwendet werden. Zusätzlich fordert der Verband Steuervergünstigungen im Zusammenhang mit dem Kalamitätsholz“.
Dr. Olaf Zinke in agrarheute
„Ganz besonders stark gefallen sind die Preise für Fichtenholz. Dieses Nadelholz wurde vom Borkenkäfer besonders heftig befallen. Und der Borkenkäfer frisst sich weiter durch die deutschen Fichtenwälder – mit schlimmen Folgen für den Baumbestand. Unzählige Bäume müssen gefällt werden um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Das drückt die Preise für Fichtenholz in den Keller“.
Ausgangslage im Stadtwald
Auswirkungen im Stadtwald
Maßnahmen im Stadtwald
Vor und Nachteile des Kahlschlags
Kahlschlag 2014 in der Eifel auch ohne Borkenkäfer
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