Bad Honnef – Die Montessori-Pädagogik hat viele begeisterte Anhänger. Eltern und Pädagogen schätzen die einzigartige Herangehensweise, die Maria Montessori entwickelt hat. Gründe dafür sind unter anderem, dass in der Montessori-Pädagogik das einzelne Kind und der Jugendliche im Mittelpunkt stehen, sowie die Umgebungen, in der sie ihren Alltag verbringen, auf ihre jeweiligen physischen und psychischen Bedürfnisse abgestimmt sind.
So ermöglicht es beispielsweise Montessori den Kindern, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und ihre individuellen Stärken zu entfalten. Jedes Kind wird als einzigartiges Individuum betrachtet. Die Montessori-Pädagogik fördert die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung. Kinder lernen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Montessori-Lehrerinnen und -Lehrer sind Begleiter im Lernprozess, anstatt traditionelle Lehrer. Neben akademischem Wissen legt Montessori Wert auf soziale, emotionale und kreative Entwicklung. Kinder lernen nicht nur Fakten, sondern auch Lebenskompetenzen. Und Montessori fördert den Respekt vor anderen und die Zusammenarbeit. Kinder lernen, Konflikte friedlich zu lösen.
Montessori-Deutschland gibt an, dass in seinen Mitgliedsorganisationen rund 10.000 Kinder in Kleinkindgruppen und Kinderhäusern und rund 25.000 Kinder und Jugendliche in Schulen betreut und unterrichtet werden (Stand August 2023).
Auch in Bad Honnef wird in Einrichtungen nach der Montessori-Pädagogik gearbeitet: beispielsweise in der Elterninitiative für ein integratives Montessori-Kinderhaus „Wolkenburg“, im Parkkindergarten Hagerhof. Der Kindergarten die Nachtigall ist nach Montessori ausgerichtet. Die „Gemeinschaftsgrundschule Am Reichenberg“ wurde erst 2022 in „Montessori-Grundschule Bad Honnef“ umbenannt.
Im März kommt ein Film über Maria Montessori in die Kinos. Auf kino.de heißt es dazu: „Die italienische Ärztin, Reformpädagogin und Philosophin Maria Montessori entwickelte mit der Montessoripädagogik ein bis heute relevantes Bildungskonzept. Die französische Regisseurin Lea Todorov („Der Schmerz“) verfilmt ihre Geschichte mit „Maria Montessori“ als gefühlvolles Drama und setzt der Bildungsikone ein bewegendes Denkmal.“
Nun hat vor ein paar Tagen der Deutschlandfunk einen Beitrag über Maria Montessori veröffentlicht, der sich auch mit der Person der Reformpädagogin auseinandersetzt. Im Mittelpunkt steht dabei das kürzlich erschienene Buch der Erziehungswissenschaftlerin und Pädagogikprofessorin Sabine Seichter mit dem Titel “Der lange Schatten Maria Montessoris“, das im Beltz-Verlag erschienen ist (Verlagstext: „Wie unter einem Brennglas beleuchtet dieses Buch den langen Schatten der weltweit berühmten Maria Montessori. Es rückt ihr Denken in einen bislang weitestgehend verdrängten aber gegenwärtig (erneut) höchst aktuellen Zusammenhang von Eugenik, Rassentheorie und Optimierungsstreben.). Demnach war neben einer neuen pädagogischen Vision Montessoris Ziel „das perfekte Kind zu erschaffen“. So lautet denn auch die Subline: „Der Traum vom perfekten Kind“. Es sollte laut Deutschlandfunk nicht nur intellektuell und moralisch, sondern auch körperlich vollkommen sein. Irritierend: Seichter trage in ihrem Buch „Ansichten und Äußerungen von Montessori zusammen, die im Prinzip schon lange bekannt sind, weil sie in ihren Schriften nachzulesen sind“.
Dazu gehöre, dass sich Montessori intensiv mit Eugenik (Erbgesundheitslehre) und der sogenannten Rassentheorie beschäftigt habe – und dass sie den Ideen des Faschismus gegenüber nicht abgeneigt war.
Deutschlandfunk: „Seichter sagt dazu: „Das perfekte Kind ist für Montessori ‚das Kind einer perfekten Rasse‘. Diese perfekte Rasse ist, kann man fast sagen, natürlich der Inbegriff und das Narrativ des weißen europäischen Mannes. Sie stellt sich ständig griechische Schönheitsstatuen vor, die körperlich makellos sind, ästhetisch vollkommen. Und ihr Traum, ihre Vision, fast schon Obsession war es nun, aus diesen Statuen, die in Marmor gehauen sind, das Kind aus Fleisch und Blut zu erzeugen, zu züchten, also ein Kind, das perfekt ist.”
Laut Deutschlandfunk sieht auch der Pädagoge Heinz-Elmar Tenorth, emeritierter Professor für Historische Erziehungswissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität, Montessori und ihr Werk sehr kritisch. „Er könne es nach wie vor kaum ertragen, die Schriften mit ihren Gedanken über das perfekte Kind zu lesen, sagt der Forscher. „Dafür hat sie Propaganda gemacht und dafür hat sie Verbündete gesucht von – man muss das ganz deutlich sagen – Hitler bis Mussolini, von denen sie meinte, dass sie die einzigen seien, die ihr helfen könnten, ein solches Kind zu produzieren“.
Noch 1951, kurz vor ihrem Tod, habe Montessori die Errichtung eines „Ministry of Race“ befürwortet, berichtet der Deutschlandfunk, der Sauter zitiert: „Man könnte es übersetzen mit ‚Ministerium zur Verbesserung der menschlichen Rasse‘“. Sauter weiter: „Weil sie überzeugt war, dass es nach wie vor einer politischen Steuerung bedurfte, um die Reproduktion, also den Nachwuchs eines Landes, zu steuern und zu planen.”
Sauter finde es grotesk, „wenn Montessori von Anhängern ihrer Pädagogik auch als Vorreiterin der Inklusion betrachtet wird, denn „sogenannte ‚anormale‘ Kinder nannte Montessori unverblümt ‚Monster‘ und ‚Parasiten der Gesellschaft‘“, so der Deutschlandfunk in seinem Beitrag, der hier zu lesen und zu hören ist.