Bad Honnef | „Bei einem Verdacht auf Schlaganfall wählen Sie den Notruf 112. Die ersten Stunden nach einem Schlaganfall entscheiden über das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn – Time is brain!“ (Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.)
Mittwochvormittag, 8. August 2012. Modefachfrau Hannelore W. (50)* aus der Bad Honnefer Löwenburgstraße ereilte das Schicksal, vor dem laut „HausArzt PatientenMagazin“ über 40 Prozent aller Deutschen panische Angst haben. Sie erlitt einen Schlaganfall. Besonders tragisch: Als Single lebt sie allein in ihrer Wohnung.
Hannelore W. hatte Glück im Unglück. Sie wurde vermisst. Von Franziska H. (54)*. Die Bekannte wusste, dass W. schlaganfallgefährdet ist. „Meine Mutter erlitt ebenfalls mit Mitte 40 einen Apoplex. Bei mir gingen alle Warnlichter an“.
Sofort wählte sie die 112, meldete einen Notfall, nannte die Adresse: Löwenburgstraße, Bad Honnef-Rhöndorf. Sie gab zusätzlich einen weiteren markanten Orientierungs-Tipp. Die Hausnummer war ihr nicht bekannt. Aber einer von H. alarmierten Nachbarin. Auch sie wählte 112 und teilte die Hausnummer mit. Das war laut Rettungsdienst ca. zwölf Minuten später.
18 Minuten bis zum Einsatzort
„Bei der Leitstelle ging der erste Notruf um 11.30 Uhr ein“, bestätigt der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes Rhein-Sieg-Kreis Dr. Frank H. Rieband. Rieband ist auch stellvertretender Vorsitzender des Vereins Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften Notärzte Deutschlands (BAND). Der Mediziner: „Um 11.49 Uhr traf der Rettungswagen ein“.
Bruno Lemke, zuständig bei der Stadt Königswinter für den Rettungsdienst: „Das überrascht mich jetzt.“
Lemke macht die relativ lange Anfahrzeit von dokumentierten 18 Minuten stutzig. Vorgegeben sind in NRW für den städtischen Bereich 8 Minuten, für den ländlichen Bereich 12 Minuten. „Richtig, das ist die Zeitspanne zwischen Notrufannahme und Eintreffen beim Patienten“, sagt Nico Gay, Pressesprecher beim DRK-Ortsverband Bad Honnef, dessen Fahrzeuge bei diesem Notfall nicht im Einsatz waren.
Überrascht zeigt sich auch Anruferin Franziska H., denn sie erinnert sich sogar an eine etwa 45-minütige Wartezeit. „Und der Notarzt kam noch später“.
Zwischenzeitlich hatte sie zwei weitere Male mit der Notrufzentrale telefoniert. „Im 2. Anruf habe ich den Verdacht auf Schlaganfall mitgeteilt, beim dritten wollte ich wissen, wo die bleiben“.
Unglückliche Umstände
„Vier Anrufe gingen insgesamt bei der Notrufzentrale ein“, sagt auch Dr. Rieband. Und es sei vollkommen richtig, dass Frau H. sich so oft gemeldet hat: „Es gibt zwei wichtige Grundsätze: Hilfe ist total wichtig und niemand darf Angst davor haben so lange anzurufen, bis die Hilfe vor Ort ist“, so der Mediziner.
Warum der Rettungswagen erst verspätet eintraf, „hat mit unglücklichen und technischen Umständen zu tun“, so Herbert Arendt, zuständig für das Rettungswesen beim Rhein-Sieg-Kreis. Zunächst habe der beauftragte Rettungswagen noch am Krankenhaus gestanden, um einen Patienten einzuliefern. Dann sei es offensichtlich auf Grund eines Verständigungsproblems zu einer falschen Adressen-Eingabe in den Computer gekommen – Löwenburgweg statt Löwenburgstraße. Dieser Fehler sei schnell erkannt worden, habe aber letztlich Zeit gekostet.
„In 90 Prozent aller Fälle erreichen wir den Ort des Geschehens im vorgegebenen Zeitrahmen“, sagt ärztlicher Leiter Dr. Rieband. Es gäbe immer wieder menschliche, technische und übergeordnete Ursachen, warum das Maximum nicht erreicht würde. „Aber wir arbeiten ständig an Verbesserungen“, so der Arzt.
„Kommunikationsfragestellungen“ werden jetzt überprüft
Auch diesen bedauerlichen Fall würden sie zum Anlass nehmen, die Kommunikationsfragestellungen zu überprüfen: „Glauben Sie mir, wir sitzen hier nicht nur rum und sagen, alles ist gut.“ Die Menge des Personals und der Einsatzfahrzeuge sei jedenfalls ausreichend, Ortskenntnisse würden ständig überprüft.
Hannelore W. wurde um 12.22 Uhr in der Uni-Klinik Bonn eingeliefert, knapp eine Stunde nach dem 1. Notruf.
Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: „Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Ein Schlaganfall-Patient muss so schnell wie möglich in die Klinik gebracht werden. Die ersten Stunden nach einem Schlaganfall entscheiden über das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn. Zeitverlust kann somit zu Verlust von Lebensqualität führen“.
Hannelore W. wird in den nächsten Tagen in die Reha verlegt. Nach Auskunft der Ärzte bleibt sie höchstwahrscheinlich ein Pflegefall.
*Namen sind der Redaktion bekannt
Foto (gestellte Situation): Robert Kneschke
Bearbeitung: honnefshopping.de