Bad Honnef | Bürgermeisterwahlen in Bad Honnef scheinen sich als Events mit Überraschungseffekt zu etablieren. Erst luchste SPD-Wally Feiden vor zehn Jahren der CDU die Macht im Rathaus ab, dann eroberte im Mai 2014 der politische Nobody Otto Neuhoff (ON) mit über 60 Prozent der Stimmen in der Stichwahl den Chefsessel am Rathausplatz.
Mit Rocker ON zog auch ein anderer Geist ins hohe Haus ein. Der ehemalige Telekom-Manager führte systemisches Denken ein, professionalisierte Arbeitsabläufe und erfüllt ein wichtiges Wahlversprechen: Er führt den Dialog mit den Bürgern.
Zum Abschluss des ersten Amtsjahres sprach Honnef heute mit Otto Neuhoff und wollte wissen:
Gibt es jemanden in der Verwaltung und im Rat, mit dem Sie sich nicht duzen?
Otto Neuhoff: Was ist das denn für eine Frage? Aber richtig, ich duze mich mit vielen.
Erschwert so viel Vertrautheit nicht, die nötige Distanz zu halten, gerade in Ihrem Amt?
Otto Neuhoff: Bis jetzt nicht.
Nach Ratssitzungen gehen alle Ratsmitglieder zum Vierkotten. Und da wird dann richtig Politik gemacht?
Otto Neuhoff: Dort wird die Beziehung gepflegt. Wichtig ist mir, dass nach den vielen Jahren, die die Leute im Schützengraben gelegen haben, fraktionsübergreifend miteinander reden, egal worüber. Das macht es in kritischen Situationen leichter, ins Gespräch zu kommen und beugt unnötigen Eskalationen vor.
Schützengraben, Synonym für den Ratssaal?
Otto Neuhoff: Ein Synonym für die etwas betonierten Verhältnisse des alten Rates.
Und warum gehen Sie nicht auch mal alle zum Griechen, Türken, Chinesen …?
Otto Neuhoff: Weil Vierkotten in der Nähe ist und ich sehr gute Erinnerungen daran habe.
Asylbewerber – Das Thema wird uns Massiv beschäftigen
Sind Menschen mit Migrationshintergrund in Bad Honnef sehr willkommen?
Otto Neuhoff: Da bin ich mir sicher: Ja! Wir müssen nur an die jüngsten Aktionen denken. Wir haben bei den Bürgern nach Wohnungen gefragt und sensationell schnell Angebote erhalten. Caritas und Amnesty haben binnen kürzester Zeit Sprachkurse ins Leben gerufen, die sehr gut besucht werden. Die Hilfsbereitschaft ist enorm.
Welche Chancen bieten Asylbewerber der Gemeinschaft?
Otto Neuhoff: Wir hatten im Herbst das Afrika-Fest im Reitersdorfer Park, eine fantastische Veranstaltung. Man konnte Menschen treffen, die einem auf den üblichen Stadtfesten nicht unbedingt über den Weg laufen. Das war mal ein ganz anderes Bad Honnef. Es kann nur eine Bereicherung sein, Menschen aus anderen Kulturen zu treffen.
Nach dem fünften Beitrag über die Asylbewerberfrage auf Honnef heute kommentierte ein Leser: „Jetzt reichts!“
Otto Neuhoff: Es reicht noch lange nicht. In den nächsten Jahren werden wir 30 bis 40 Prozent mehr Asylbewerber aufnehmen, eine enorme Herausforderung für eine Stadt wie Bad Honnef. Das Thema wird uns massiv beschäftigen. Und die Art und Weise, wie wir damit umgehen, wird entscheidend dafür sein, wie viel Folgeprobleme entstehen werden. Augen zu und durch hilft da nicht weiter.
Würden Sie sich persönlich dafür einsetzen, dass Asylbewerber vernünftigen Wohnraum bekommen?
Otto Neuhoff: Natürlich frage ich in meinem Umfeld nach Wohnraum. Außerdem verhandele ich mit Anbietern über leistbare Mieten. Meine Frau gibt übrigens ehrenamtlich Sprachkurse.
Beim Thema Gesamtschule bin ich ambivalent
Sind Sie ein emotionaler Mensch?
Otto Neuhoff: Durch und durch.
Dann stehen Sie mit Herz und Seele hinter einer katholischen Gesamtschule?
Otto Neuhoff: (Lacht) Bei dem Thema bin ich ambivalent. Wenn man Entscheidungen trifft, lässt man auch manchmal etwas hinter sich. In dem Fall stehe ich hinter dem Ratsbeschluss, sehe aber nicht alles unkritisch. Trotzdem halte ich es unter einer Gesamtbetrachtung für eine gute Entscheidung, vor allem wenn es uns gelingt, die festgelegten Forderungen erfolgreich mit dem Erzbistum zu verhandeln.
Sind Konfessionsschulen Zukunftsmodelle?
Otto Neuhoff: Das wird die Zukunft zeigen. Bedeutender für mich ist, dass die Gesamtschule Zukunft hat, nicht das Gymnasium. Unser Sibi ist eine tolle Einrichtung, die jetzt realisieren muss, dass sie bald in Konkurrenz stehen wird zu einer hochmodernen Gesamtschule. Da muss was getan werden.
Das bedeutet, die Stadt muss etwas tun?
Otto Neuhoff: Ja, ganz klar.
Gegeneinander arbeiten, das muss ich nicht haben
Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, Bürgermeister werden zu wollen?
Otto Neuhoff: (Lacht) Mein Nachbar hat mich gefragt.
Den Namen wollen Sie nicht verraten?
Otto Neuhoff: Dr. Joachim Langbein von den Grünen.
Nach den Erfahrungen von heute: „Mach’s noch einmal, ON?
Otto Neuhoff: (Schmunzelt) Ja!
Wann wäre der Punkt erreicht, an dem Sie sagen: Nichts geht mehr?
Otto Neuhoff: Wenn sich die Ratsarbeit dahin entwickelt, dass gegeneinander und nicht mehr miteinander gearbeitet wird; wenn sich Fraktionen zusammentun und nicht mehr mit dem Bürgermeister politische Entscheidungen zum Wohle der Stadt treffen wollen. Das muss ich nicht haben.
Die Gefahr sehen Sie zurzeit nicht?
Otto Neuhoff: Ich habe den Eindruck, dass in der Politik und in der Verwaltung die meisten froh sind, dass die alte Zeit vorbei ist, dass es jetzt mehr Offenheit gibt, mehr Dialog, mehr Gemeinsamkeit.
Wir können uns jetzt streiten
Sie haben keine Konflikte in Ihrer Verwaltung?
Otto Neuhoff: Doch, natürlich.
Welche?
Otto Neuhoff: Ein Paradoxon. Dadurch, dass jetzt Konflikte wieder zugelassen sind, wird das Leben leichter, besser. Die Konflikte sind nun einmal vorhanden, auch wenn sie nicht benannt werden. Wenn man sich an der Oberfläche freundlich verhält, hintenrum aber rumstinkt, entwickelt sich nichts Positives. Das hat sich tendenziell geändert, wir können uns jetzt streiten. Manchmal bin ich vielleicht auch zu schnell, werde dann wieder zurückgeholt.
Sie haben auf der Hierarchieebene die Karten neu gemischt. Ohne Reibung?
Otto Neuhoff: (Lacht) Witzig. In den sechs Monaten, die ich jetzt hier bin, ist vom bisherigen Leitungsteam nur Frau Hofmans kontinuierlich an Bord gewesen, die anderen sind krankheitsbedingt ausgefallen. In dieser schwierigen personellen Situation habe ich Leute herangezogen, die letztlich den Karren gezogen haben. Teilweise wurden die ins kalte Wasser geschubst, weil der Entscheidungs- und Handlungsdruck so groß war und ist.
In sechs Monaten mehr erreicht als in fünf Jahren
An den Theken dieser Stadt fragen sich die Menschen schon mal, was hat der Bürgermeister eigentlich bisher gemacht? Denen sagen Sie was?
Otto Neuhoff: Ein Projektteam, gebildet um die ausstehenden Elternbeiträge in Millionenhöhe einzuziehen; wir haben es geschafft, dass in der Politik wieder Handlungsfähigkeit entsteht; es gab einen Strategieworkshop; wir machen Fraktionsvorsitzendenrunden; wir haben in der Verwaltung die Handlungsfähigkeit deutlich erhöht; wir sind regelmäßig mit den Bürgern im Gespräch und setzen venünftige Dinge schnell um; wir haben die Schulentscheidung über die neue Gesamtschule herbeigeführt; die Entscheidung über die Sporthalle in Aegidienberg ist getroffen worden; wir haben professionelle Rats- und Ausschussvorlagen entwickelt, die dem ehrenamtlichen Rat die Arbeit erleichtern: ich habe dafür gesorgt, dass die freien Stellen in der Verwaltung neu besetzt werden – die neuen Stadtplaner kommen zu Beginn des Jahres, für den Geo-Informationsdienst wurden neue Mitarbeiter eingestellt; es ist unendlich viel Arbeit in die Grundlagenarbeit investiert worden; wir verzeichnen zudem eine gute Entwicklung bei der Bewerbungsfrage Landesgartenschau; zuletzt haben wir in vielen Gesprächen mit dem Investor die Planungen für das Postgelände erfolgreich abschließen können.
Natürlich wird nach außen nicht alles sichtbar, aber mir hat vor kurzem noch jemand gesagt, in den letzten sechs Monaten sei mehr geschehen, als in den letzten fünf Jahren. Es würde vor allem viel schneller entschieden. Es darf einfach nicht sein, dass ein Investor nach 12 Jahren noch kein Projekt abschließen kann, wie im Businesspark in Rhöndorf. Solche Nachlässigkeiten richten großen Schaden an – zum Nachteil der Bürger, der Stadt und des Geldgebers.
Ist das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Rathausarbeit gestiegen?
Otto Neuhoff: Unbedingt.
Woran machen Sie das fest?
Otto Neuhoff: Ich sehe, dass mehr Bürgerinnen und Bürger Rats- und Ausschusssitzungen besuchen und ich erhalte Feedbacks. In der Regel sagen die aus, dass Bürger viel schneller Antworten auf ihre Anliegen erhalten, beziehungsweise überhaupt welche bekommen. Frust entsteht, wenn jemand etwas sagen möchte, aber nicht gehört wird. Wir hören zu.
Einen Internetshop sollten die Geschäftsleute in Erwägung ziehen
Auch der Geschäftswelt?
Otto Neuhoff: Ich bin mit dem Vorsitzenden des Centrum e.V., Georg Zumsande, im Gespräch. Im nächsten Jahr wird es eine größere Gesprächsrunde geben. Klar ist, es geht nicht alles auf einmal.
Wird es eine Art runden Tisch geben?
Otto Neuhoff: Ich bin nicht sicher, ob das das richtige Instrument ist. Wir müssen ja über nachhaltige Wirtschafts- bzw. Stadtentwicklung sprechen, nicht über das Tagesgeschäft.
Ende des Jahres haben wieder einige Traditionsgeschäfte zugemacht. Wie können die Geschäftsleute ihre Situation sicherer gestalten?
Otto Neuhoff: Sie müssen sehen, dass für sie durch das Internet eine neue Situation entstanden ist. Sicherlich sind die Einzelhändler gut beraten, neben dem Angebot im Laden auch einen Internetshop zu betreiben oder zumindest in Erwägung zu ziehen. Einige machen das ja schon, viele noch nicht. Weiter müssen die Einkaufsbedingungen in der Innenstadt weiter optimiert werden. Die Leute wollen ein Einkaufserlebnis haben, hier einen Kaffee trinken, dort eine Kleinigkeit essen, Musik hören, Überraschungen erleben …
Kommt die Musik in die Stadt?
Otto Neuhoff: Kultur ist generell wichtig für die Innenstadt, es wird etwas passieren bei uns. Da sind die Königswinterer schon weiter. Die gerade begonnene Veranstaltungsreihe im Inselcafé weist da auch die Richtung für die Innenstadt. Vielleicht geht da ja auch was im ehemaligen „Calabria“, das ja eben einen neuen Investor gefunden hat.
Sehe einen Wirtschaftsraum Siebengebirge
Wird es bald einen neuen Wirtschaftsförderer geben?
Otto Neuhoff: Die Stelle wieder zu aktivieren, dürfte nicht schwer sein. Es sollte vorher aber ein Konzept zur Wirtschaftsförderung auf dem Tisch liegen. Ich habe Ideen und sehe vor allem Bad Honnef und Königswinter als einen gemeinsamen „Wirtschaftsraum Siebengebirge“ – das gilt auch für die Kultur.
Sie sprechen zurzeit mit Peter Wirtz über ein interkommunales Wirtschaftskonzept?
Otto Neuhoff: Wir sprechen momentan über gemeinsame Interessen bei der Vermarktung der Region. Man muss sich doch auch mal die Frage stellen, warum ist Bad Honnef in der Tourismus GmbH nur Zaungast? Natürlich haben die beiden Städte unterschiedliche Profile, aber auch Gemeinsamkeiten: den Naturpark Siebengebirge, den Drachenfels, den Rhein …
Im nächsten Jahr gibt es konkrete Ergebnisse?
Otto Neuhoff: Ja!
Viele gute Personalentscheidungen
In Ihrer Weihnachtsbotschaft bedanken Sie sich bei den Ehrenamtlern, die den Schwächeren helfen. Möchten Sie den Schwächeren auch direkt etwas mitteilen?
Otto Neuhoff: Jeder hat hier in Bad Honnef alle Rechte, niemand muss sich verstecken. Vor allem die Angebote der Vereine sind für Menschen, die nicht so leicht durchs Leben kommen, eine gute Chance, in den Mittelpunkt zu rücken. Mein Wunsch: Bringen Sie sich ein.
Für 2015 haben Sie dienstlich zwei weitere Wünsche frei?
Otto Neuhoff: Ich wünsche mir eine Weitentwicklung der guten Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung. Streiten und sich trotzdem zu einigen – diese Kultur muss noch verbessert werden. Und ich wünsche mir viele gute Personalentscheidungen.
Welche Erwartungen haben Sie für 2015 an die Presse?
Otto Neuhoff: Dass die Presse sich für viele Bad Honnefer Themen interessiert und vor allem differenziert berichtet. Das ist wichtig, um den Bürgern zu verdeutlichen, unter welchen Rahmenbedingungen Entscheidungen getroffen werden müssen. Deshalb werden wir in Zukunft auch immer wieder Vergleichszahlen aus dem Rhein-Sieg-Kreis veröffentlichen.
Ich habe den Eindruck, bei der Erwartungshaltung einiger Bürger gibt es eine gewisse ‚Unrelativiertheit‘, Forderung stehen manchmal ziemlich absolut im Raum. Aber: Im Leben muss man immer abwägen. Anders kommt man nicht ans Ziel.