Siebengebirge – Im Juli 2024 schrieb der Verein Literatur im Siebengebirge (LiS) den Literaturwettbewerb „Gegen den Strom“ aus mit der Vorgabe, dass die eingesandten Erzählungen und Essays 1000 Wörter nicht überschreiten sollten.
257 anonymisierte Beiträge aus Deutschland, Belgien, Polen, Österreich, der Schweiz und sogar aus Italien prüfte eine fünfköpfige Jury bestehend aus einem Autor, einer Autorin, einer Lektorin, einer Buchhändlerin und einem eifrigen Leser. Sie einigten sich auf eine Longlist von 20 preiswürdigen Texten, stellten daraus die Shortlist mit acht Beiträgen zusammen und legten die ersten drei Plätze fest.
Am 19. November 2024 stellten die Finalistinnen und Finalisten der Shortlist die acht Texte im Sea Life Königswinter vor. Mehr als 80 Literaturinteressierte kamen, applaudierten begeistert und vergaben den Publikumspreis für den gelungensten Vortrag. Nach diesem Erfolg hat LiS nun die Anthologie „Gegen den Strom“ herausgegeben, die neben den acht im Sea Life vorgetragenen Texten auch die weiteren 12 Erzählungen der Longlist enthält.
Migration und Flucht waren eher selten Gegenstand der eingesandten Erzählungen, aber gerade eine hierzu erhielt den ersten Preis. Ihr Autor Chris Berg aus Freiburg behandelte das hochemotionale Thema nicht gefühlsbetont, sondern schrieb nüchtern und literarisch sehr gekonnt eine humorvolle Geschichte.
Humor zeichnet fast alle Texte der Anthologie aus, sei es die zweitplatzierte abwechslungsreiche DDR-Wendehals-Erzählung „Allein, Öl auf Leinwand“ des Aegidienbergers Markus Peter oder der frischweg von der Leber geschriebene drittplatzierte Essay „Strom?! Ich bin dagegen!“ von Daniel D. Nowak aus Bonn, der den Kartoffelstampfer dem Thermomix vorzieht.
Auch die Texte nicht prämierter Autorinnen und Autoren glänzen mit unterhaltsamen und einfallsreichen Erzählungen.
Christian Gottschalks flottfröhlicher Essay „Vorurteile und Alternativen“ enthält unter anderem einen Test, der selbst bei eingefleischten Weltbürgern rassistische Vorurteile offenlegt. Turbulente Komik steckt in der Kurzgeschichte „Die blaue Melpomene“ des Berliners Mateu Carreras-Solé, in der der Erzähler versucht, ein von Presse und Publikum hochgelobtes abstruses Theaterstück zu boykottieren. Ebenso amüsant ist René Klammers Kurzgeschichte „Doch nicht heiraten“, in der ein junger Mann, dessen Motto „Schicksal nimm deinen Lauf“ ist, lebensverändernd aneckt, als er einmal nicht Ja sagt. Lothar Schiefer klärt humoristisch in seiner Betrachtung „Im falschen Körper“, was zu tun ist, wenn das Spiegelbild der Vorstellung von der eigenen Figur widerspricht. In der Kurzgeschichte „Was der Ratte das sinkende Schiff bedeutet“ versetzt sich Isa Tschierschke überzeugend in ein führendes VW-Betriebsratsmitglied, dessen Tat gegen den Strom zu schwimmen darin besteht, nach der Schließung seines Werkes als einziger aus der Kantine Lavazza-Tässchen und Kaffeebohnen mitgehen zu lassen.
Atmosphärisch ist Nicola Webers feinnervige Sommergeschichte Was zu erzählen, die am Rhein spielt, und unter dem Titel Politoxisch übt Barbara Thiel im Milieu der Obdachlosen mitfühlend Sozialkritik.
Die Anthologie kostet 10,00 Euro und kann in der Dollendorfer Bücherstube in Königswinter, der Buchhandlung Werber in Bad Honnef oder über LiS (info@literatur-im-siebengebirge.de) erworben werden. Mit dem Kauf der Anthologie unterstützen Sie die Arbeit des gemeinnützigen Vereins LiS.
Gabriele Hamburger / Literatur im Siebengebirge e.V.
Diskussion