Rhein-Sieg-Kreis – Im Rhein-Sieg-Kreis fehlen derzeit rund 9.500 Wohnungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle regionale Wohnungsmarkt-Untersuchung des Pestel-Instituts. Demnach stehen gleichzeitig etwa 3.720 Wohnungen seit einem Jahr oder länger leer – doch wer auf diese Einheiten als kurzfristige Entlastung hofft, dürfte enttäuscht werden: Wohnungen, die über längere Zeit leer stehen, gelangen laut der Studie kaum wieder in die Vermietung.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Pestel-Instituts haben für ihre Analyse den Wohnungsbestand, die Bevölkerungsentwicklung sowie Prognosen zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung im Rhein-Sieg-Kreis ausgewertet.
„Vom Arbeitskräftebedarf über die Geburten bis zu den Sterbefällen: Es wird sich im Rhein-Sieg-Kreis eine Menge tun – und auf dem Wohnungsmarkt tun müssen. Das bedeutet konkret: In den nächsten fünf Jahren müssen rund 3.080 neue Wohnungen im Rhein-Sieg-Kreis gebaut werden – und zwar pro Jahr“, sagt Matthias Günther, Chef-Ökonom des Pestel-Instituts.
Dieses Ziel hält Günther allerdings für kaum realistisch. Im ersten Halbjahr dieses Jahres seien nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lediglich 836 Baugenehmigungen für neue Wohnungen im Rhein-Sieg-Kreis erteilt worden. „Das reicht natürlich nicht. Der Neubau von Wohnungen im Rhein-Sieg-Kreis läuft mit angezogener Handbremse. Da muss vor allem bundespolitisch mehr passieren, um den Neubau von Wohnungen wieder anzukurbeln. Und das möglichst schnell“, so Günther.
Als besonders wirksames Mittel sieht der Ökonom ein staatliches Zinsprogramm: „Dringend notwendig ist günstiges Baugeld. Der Bund muss ein Zins-Programm auflegen: Maximal 2 Prozent Zinsen – teurer darf die Finanzierung beim Wohnungsbau nicht sein. Dann wären deutlich mehr private Bauherren, aber auch Investoren endlich wieder in der Lage, neue Wohnungen im Rhein-Sieg-Kreis zu bauen. Vor allem würde das schnell einen Effekt bringen: Mit einem Niedrigzins-Baugeld würde der Bund einen wirklichen Turbo für den Neubau von Wohnungen starten“, so Günther weiter.
Die Studie wurde im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) erstellt. Dessen Präsidentin Katharina Metzger kritisiert fehlende Impulse aus der Politik: „In Sachen Wohnungsbau passiert bei der neuen Bundesregierung zu wenig. Nur das Schlagwort ‚Wohnungsbau-Turbo‘ geistert seit Monaten durch die Republik. Doch von einem ‚Turbo‘ kann keine Rede sein. Die Maßnahmen wirken nur mittel- bis langfristig. Jedenfalls ist von dem versprochenen ‚Turbo-Effekt‘ im Rhein-Sieg-Kreis und auch sonst nirgendwo etwas zu merken“, sagt Metzger. Selbst dort, wo es ein Plus bei den Baugenehmigungen gebe, geschehe dies „auf denkbar niedrigem Niveau“.
Metzger betont zudem die wirtschaftliche Bedeutung der Branche: „Läuft der Wohnungsbau, dann läuft auch die Wirtschaft. Deshalb ist es höchste Zeit, dass Bundeskanzler Merz den Wohnungsbau jetzt zur Chefsache macht“, fordert sie. Passiere nichts, drohe der Neubau weiter einzubrechen. „Schon jetzt verliere der Bau Tag für Tag Kapazitäten: Bauunternehmen gehen in die Insolvenz. Bauarbeiter verlieren ihre Jobs“, so Metzger.
Neben der Finanzierung sieht der BDB auch in den Bauvorschriften ein zentrales Problem. „Deutschland muss dringend wieder einfacher bauen. Wenn der Bund alle Auflagen und Vorschriften der letzten zehn Jahre komplett zurücknehmen würde, dann könnten im Rhein-Sieg-Kreis ziemlich schnell wieder deutlich mehr und deutlich günstigere Wohnungen gebaut werden. Und zwar Wohnungen mit einem guten Standard. Manchmal ist weniger eben mehr“, sagt Günther.
Der Chef des Pestel-Instituts wirft dem Bund vor, den Wohnungsbau „zehn Jahre lang durch immer schärfere Gesetze und Verordnungen viel unnötigen Ballast zugemutet zu haben“. Das habe die Baukosten und damit auch die Mieten in die Höhe getrieben, kritisiert auch der BDB. „Vor allem völlig überzogene Energiespar-Auflagen beim Neubau haben unterm Strich für die Umwelt wenig gebracht, das Wohnen aber enorm viel teurer gemacht“, so Metzger.






