Bad Honnef – Das Elend und die Not, die der russische Angriffskrieg in der Ukraine verursacht, werden täglich größer. Viele Betroffene fliehen aus ihrer Heimat in andere europäische Länder. Dort engagieren sich Bürgerinnen und Bürger für die Geflüchteten, kümmern sich um Unterkünfte, Behördengänge, Perspektiven. Des Weiteren sammeln Ehrenamtliche Spenden wie Hygieneartikel, Lebensmittel oder Schuhe und fahren sie an die Grenzen, wo sie weiter zu den Menschen in der Ukraine transportiert werden.
Der frühere Bad Honnefer Michael Lingenthal und seine Mitstreiter:innen haben mit einem LKW Güter an die Grenze gefahren. Hier der Bericht:
Vorlauf zur Hilfsfahrt
Die Hilfsfahrt wurde durch die Abtei Maria Laach sowie den Kölner Sozialverein „Kellerladen e.V.“ getragen. Wesentlich war die Unterstützung breiter Kreise Bad Honnefs. Das Informationsportal „Honnef Heute“ (www.honnef-heute.de) hatte den Bericht der 1. Hilfsfahrt (Christiane und Michael Lingenthal) veröffentlicht. Dieser führte zu einer Welle der Hilfsbereitschaft, logistisch unterstützt von der Stadt Bad Honnef. Berichte anderer lokaler und regionaler Medien verstärkten die Hilfsaktion. Sach- und Geldspenden ermöglichten diese Hilfsfahrt. Insges. beteiligten sich bis zu 40 Personen an der Sammlung der Sachspenden, der Sortierung und Verpackung sowie beim Beladen des LKW. Das restliche Ladevolumen konnte in der Kleiderstube der kath. Gemeinde St. Severin in Frechen, beim Kellerladen e.V. und in der Abtei Maria Laach aufgefüllt werden.
Route der Hilfsfahrt und Partnerorganisationen
Über Bratislava erreichte der LKW die Caritas-Košice und das Romaprojekt „Habeš“ der Caritas in Sečovce (Ostslowakei). Die Caritas-Košice unterstützt ihre Schwesterorganisationen in der Ukraine. Einmal die Caritas-Užhorod und weiter die Caritas- Mukaceve. Hilfsgüter werden von der Slowakei täglich mehrmals dorthin gebracht.
Hilfe der Caritas-Košice für Menschen in sowie aus der Ukraine
Unmittelbar nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine kamen ca. 200.000 Menschen aus der Ukraine binnen weniger Tage in die Slowakei. Die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sowie erste Hilfslieferungen aus Deutschland und Österreich ermöglichten die Versorgung der Flüchtlinge. „Flüchtlinge“ werden die Menschen aus der Ukraine in der Slowakei nicht genannt. Man spricht von „befristet Entkommene“. So wird einmal ausgedrückt, was die Menschen an Leid und Gefahr erlebt haben. Aber es wird auch der Wille deutlich, so schnell als möglich in die Heimat zurückzukehren.
War in den ersten Tagen nach Kriegsbeginn die Soforthilfe notwendig, so wird sich jetzt darauf vorbereitet, über einen längeren Zeitraum Versorgungsgüter und medizinische Hilfe vorzuhalten. Selbst wenn Putin den Krieg morgen beenden würde, wäre die Ukraine auf Grund der massiven Schäden noch lange Zeit auf medizinische Versorgung sowie auf Nahrungsmittel und Mittel des täglichen Bedarfs angewiesen, ganz abgesehen von den enormen Infrastruktur- und Baumaßnahmen.
Deshalb hat die Caritas-Košice nun bislang 3 Depots eingerichtet, ein 4. Depot ist in Vorbereitung. In den Depots werden die Hilfsgüter entgegengenommen, sortiert (sofern nicht sortiert angeliefert) und dann in zwei Partien gegliedert. Ca. 2/3 der Spenden werden in die Ukraine gebracht. Sie dienen der Versorgung der Binnenflüchtlinge im Raum Užhorod und in Mukacewe sowie der Versorgung in den Kriegsgebieten, wohin diese Güter dann transportiert werden. Ca. 1/3 der Spenden ist für die Betreuung der Ukrainer in der Slowakei vorgesehen.
Der Strom der Ukrainer in andere Länder (vorrangig Polen, dann auch Deutschland und Frankreich) hat sich deutlich verringert. Auf Grund der Rückeroberung ukrainischer Gebiete sowie dem Rückzug russischer Truppen warten die Menschen lieber in Grenznähe ab, um dann schnell in ihre Heimat zurückzukönnen. Dies bedeutet, dass nunmehr nicht „nur“ Transit-Flüchtlinge versorgt werden müssen, sondern auch die oben genannten „befristet Entkommenen“.
Die Entgegennahme unserer Hilfsgüter geschah sehr professionell. Sie wurden je nach Artikeln direkt auf Europaletten gestapelt und verpackt. In Honnef hatten wir Kartons mit ukrainischer Aufschrift und Grüßen erhalten. Diese Gaben beeindruckten hochemotional. In den Depots helfen neben wenigen Hauptamtlichen der Caritas vor allem Freiwillige.
„Hot Spot“ Michalovce
In Nähe der vier Grenzübergänge Slowakei/Ukraine hat die Slowakei sog. „Hot Spots“ eingerichtet. In Michalovce (nahe dem Grenzübergang bei Užhorod) wird der „Hot Spot“ durch zwei Internatsschulen ergänzt, wo die Ankommenden aus der Ukraine aufgenommen werden, bis ihre nächste Zukunft abgeklärt ist.
Im „Hot Spot“ erfolgt die Aufnahme, die erste medizinische Versorgung sowie Verpflegung und eine sehr persönliche Betreuung der Menschen aus der Ukraine. Dies ist derzeit vor allem deshalb relativ problemlos möglich, weil täglich nur noch 500 Personen ankommen. In den ersten Kriegstagen waren es bis zu 12.000 pro Tag. Die Ursache für den Rückgang liegt im Abwarten der Ukrainer möglichst noch im Westen (Raum Užhorod) ihres Landes.
Man erwartet Angriffe mit Raketen und Marschflugkörpern auch auf den Westen des Landes und auf Užhorod. Die Stadt ist ein regionales Versorgungszentrum. Sie verfügt über einen Flughafen, Infrastruktur und über Sicherheitskräfte und Militär. Wenn diese Angriffe erfolgen, dann wird der Zustrom nach Michalovce wieder schlagartig zunehmen. Auf diese Situation wird sich vorbereitet. Deshalb auch die Lagerhaltung z.B. der Caritas.
Die Ukrainer werden drei Gruppen zugeordnet: 1. Diejenigen, die in der Slowakei bleiben und arbeiten wollen. Sie haben für zunächst ein Jahr Aufenthalts- und Arbeitsrecht und werden in das slowakische soziale System aufgenommen. 2. Menschen, die in andere Länder weiterreisen wollen. Hier werden die Menschen mit Dokumenten und Freifahrkarten-Bahn/Busfahrten ausgestattet. 3. Ankommende, die keinerlei Perspektive haben und die Zeit benötigen, um Entscheidungen zu treffen. Für diese Personen erfolgt eine Aufnahme auch in anderen Teilen der Slowakei.
In Sichtweite des „Hot Spot“ warten täglich etwa ein Dutzend Mitglieder der „Zeugen Jehovas“ auf Glaubensangehörige aus der Ukraine, damit diesen direkt weitergeholfen werden kann. Was immer man über die Zeugen Jehovas denken mag, es ist beeindruckend, den Zusammenhalt und das Ausharren zu erleben.
Die Slowakei hat bislang ca. 330.000 Flüchtlinge „verkraftet“ (Erstaufnahme, Transit, Daueraufenthalt) und dies bei nur 5,4 Millionen Einwohnern.
Zwischen Grenzübergang und „Hot Spot“ ist ein Shuttle eingerichtet. Wir waren Augenzeuge von der Ankunft der Anreisenden Ukrainer. Es kommen derzeit überwiegend ältere Menschen. Wir sahen in abgespannte, ausdruckslose Gesichter. Die Strapazen der Menschen waren zu spüren. Sie hatten bislang eine Wohnung, ein Haus, einen Garten. Nun war alles, was ihnen blieb eine Handtasche mit dem Nötigsten. Mehr konnten sie in der Reise per Bahn, Bus, mit dem Auto/LKW oder zu Fuß nicht mitnehmen. Manche lehnten die Angebote ab, die Tasche von Militär oder Freiwilligen zur Aufnahme tragen zu lassen oder Rollstühle zu nutzen. Es schien ein letzter Rest von eigener Würde zu sein, nun auch diesen Weg mit der wenigen Habe selbst zu gehen.
In den Hot Spots sind viele Freiwillige aktiv. Zusätzlich ist Militär kommandiert, um die Sicherheit zu gewährleisten und auch um logistische Hilfe zu geben. Die Freiwilligen sind einmal die „Ü60“, also Frührentner und Pensionäre und dann vor allem Studierende. Eine Studentin, die die Ankunft koordinierte antwortete „was ist schon ein „verlorenes“ Semester gegen das Leid dieser Menschen“.
Romalager „Habeš“ in Sečovce
Die Caritas-Košice ist der Träger eines sog. „Kommunitätszentrums“ am Romalager „Habeš“. Etwa 1.600 Roma „leben“ in diesem Slum. Es gibt nur eine öffentliche Trinkwasserstelle, keine Kanalisation. Im „K-Zentrum“ wird vor allem Kindern die Möglichkeit gegeben, etwas anderes als ihren „Slum“ erleben, wenigstens für einige Stunden des Tages das Elend dort zu vergessen. Teil des „K-Zentrums“ ist eine Nähwerkstatt. Zunehmend werden Frauen auch über die Nähwerkstatt hinaus in die Betreuung der Kinder einbezogen. Die Kinder erleben, dass Erde Gutes hervorbringt. Im „Habeš“ gibt es keinen Baum, keine Blumen. Der Boden ist ein Gemisch aus Erde, Abfall und Fäkalien. Die Kinder haben ein deutlich besseres Sozialverhalten als zuvor. Sie lernen für die Gemeinschaft ihren Beitrag (z.B. Putzen) zu leisten. Sie haben die Möglichkeit eigenes Gemüse und Kartoffeln anzubauen. Dies wiederum zieht Eltern und Familienangehörige mit. Wichtig ist auch, dass die Kinder sowie die Frauen der Nähwerkstatt und der Betreuung, gute hygienische Verhältnisse nutzen können und so wird -wenigstens etwas- auch der Gesundheitszustand verbessert. Und ….. einfach Kind sein!
Vier Hauptamtliche leiten das K-Zentrum. Über die staatliche Romabehörde werden davon drei Personalstellen aus EU-Mitteln finanziert.
Seit Beginn des Krieges hat das „K-Zentrum“ zusätzlich zur Betreuung der Roma die Hilfe für Geflüchtete mit übernommen. Im „K-Zentrum“ können Geflüchtete in sehr einfachen Verhältnissen übernachten, duschen und Wäsche waschen ist möglich und Verpflegung und Hilfe durch Sachspenden sowieso. Auch Roma aus der Ukraine werden vom K-Zentrum versorgt.
Bedarf an Hilfsgütern
KEINE BEKLEIDUNG!
Die Lager sind mit Bekleidung ausreichend gefüllt. Wenn sich die Lage zum Sommer ändert, erhalten wir Nachricht.
Windeln, Babynahrung, Babykleidung, Babyhygiene, Babypflege
Kinderwagen, Buggys (keine Auto-Kindersitze)
Hygieneartikel aller Art, vor allem auch Frauenhygiene in jeder Form
Mundhygieneartikel
Haarwaschmittel, Seifen
Kinderschuhe und Badesandalen
Lagerfähige Nahrungsmittel jeder Art, vor allem Öl, Schokolade,
Artikel der med. Versorgung (Verbandsmaterial), Medikamente
(abgelaufene) Verbandskästen (Auto, Betriebe, Werkstätten, Haushalte)
Diese Hilfsfahrt hat uns überzeugt, dass die Hilfe noch mindestens mittelfristig weitergehen muss. Neben der Soforthilfe wird es dann auch um Aufbauhilfe gehen. Wir sind tief beeindruckt von dem Engagement in der Slowakei. Ein Land, welches gerade im Osten, nicht den Wohlstand Deutschlands hat und dennoch von dem, was man hat, reichlich den Geflüchteten gibt.
Wir geben den tiefen Dank der Geflüchteten, der haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sehr gerne weiter. Dieser Dank, oft mit feuchten Augen gesagt, wurden wir gebeten an die großzügigen und aktiven Menschen in Deutschland weiterzugeben. Wir schließen uns an: DANKE!
Das Team der 2. Hilfsfahrt: Michael Lingenthal und Marion Schmoll