Bad Honnef – Mit dem Pogrom vom 9. auf den 10. November 1938 wurde das jüdische Leben in Deutschland nahezu ausgelöscht. In Bad Honnef brannte die Synagoge in der Linzer Straße nieder und wurde vollständig zerstört. Heute Abend erinnerte eine Gedenkveranstaltung an der Synagogentafel in der Kirchstraße an die Verbrechen und deren Folgen.
Bürgermeister Otto Neuhoff betonte in einer bemerkenswerten Rede, man stehe hier, weil 1938 eine Synagoge brannte und schlimme Dinge folgten, bei denen Menschen verschleppt, ermordet und deportiert wurden. Er erinnerte an einen Vorfall vor wenigen Tagen nach einem Fußballspiel in Amsterdam, bei dem Juden gezielt verfolgt wurden. Er sagte, die antisemitischen Straftaten seien von 2022 bis 2023 von 2500 auf über 5000 angestiegen – eine Explosion. Der Antisemitismus nehme zu.
Neuhoff hob hervor, dass Antisemitismus eine Form von Rassismus und Inhumanität sei. Es gehe um den Artikel im Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Er erinnerte an eine Demo gegen Remigration auf dem Bad Honnefer Marktplatz. Dort signalisierten viele Teilnehmer, dass sie „diesen Unsinn“ nicht mitmachen. „Wir treten heute für Humanismus und Artikel 1 des Grundgesetzes ein“, sagte Neuhoff. Jeder solle den Anspruch haben, als Mensch behandelt zu werden. Hier zähle das Individuum und nicht willkürlich gewählte Merkmale.
Der zukünftige amerikanische Präsident habe in seinem Wahlkampf rassistische, ausgrenzende und herabwürdigende Parolen benutzt. Auch die AfD greife auf ähnliche Parolen zurück. „Weil sie wissen, dass das ankommt“, erklärte Neuhoff. Man solle niemanden wählen, der sich mit rassistischen Parolen auf einen Rattenfängerpfad begibt.
Der Synagogenbrand in Bad Honnef habe für Neuhoff einen persönlichen Bezug. Sein Vater und seine Brüder erlebten den Brand mit. „So etwas darf sich nicht wiederholen“!
Nach Neuhoffs Rede betonte Dr. Rüdiger Fuchs, dass die Namen der Opfer des Judenhasses oft bekannt seien, die der Täter jedoch nicht. Ein Vergessen sei kein richtiger Weg, Geschichte aufzuarbeiten. Nur eine aufrichtige Auseinandersetzung könne zur inneren und äußeren Annäherung führen und hoffentlich Versöhnung ermöglichen. Hätte Deutschland intensiver die Auseinandersetzung mit seiner dunkelsten Zeit gewählt, wäre vieles von dem heutigen Rassismus, Antisemitismus und Ausländerhass erspart geblieben.
Fuchs forderte, dass Menschen überall dort Farbe bekennen müssen, wo sich Hass und Vorurteile ausbreiten wollen. Die aktuelle Lage sei dramatisch. „Wir erleben diese braune Suppe trotz des Wissens um Holocaust und Völkermord“. Es sei unsere Verantwortung, dass sich diese Zeiten nicht wiederholen.
Große Betroffenheit lösten Vertreter der Schule Hagerhof, St. Josef und Sibi aus. Sie ließen die jüdische Dichterin Mascha Kaléko zu Wort kommen, die 1938 vor den Nazis in die USA floh. Sie erzählten ihren Lebensweg und lasen Gedichte vor.
Ein weiterer Beitrag von Schülern berichtete über eine Jüdin, die in Bad Honnef lebt. Sie halte stets einen gepackten Koffer bereit für den Fall einer Flucht. Ihre Pässe seien aktuell und sie verfolge regelmäßig die Nachrichten. Die Eltern seien geschockt von den Ereignissen im Land und würden zur Wachsamkeit aufrufen. Mit den steigenden Wahlergebnissen der Rechtsradikalen werde die Lage schlimmer.
In der Schule sei die junge Frau diskriminiert worden, Mitschüler hätten den Hitlergruß gezeigt und sie gefragt, wie es sei als Ausländerin in so einem zivilisierten Land zu leben. Sie forderte Zivilcourage, um gegen Hass vorzugehen und Betroffene zu unterstützen. Sie wolle ihren Koffer ungenutzt in der Ecke stehen lassen.
Die jüdische Frau, deren Geschichte erzählt wurde, wünschte, dass ihr Name ungenannt bleibt.
Musikalisch begleitet wurde die Gedenkveranstaltung von Musikerinnen der Musikschule Bad Honnef.
Anschließend konnten Interessierte im B11, Bahnhofstraße 11, eine multimediale Ausstellung des Vereins „Jüdische Vergangenheit und Gegenwart in Bad Honnef“ besuchen. Gezeigt werden dort die Fotografien von Kornelia Danetzki, die jüdische Orte und Symbole in Bad Honnef fotografiert hat. Außerdem sind neue Kurzfilme zur Bad Honnefer Geschichte zu sehen, die erstellt wurden, um jüdisches Leben, die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus und die Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg zu erläutern.
Konzipiert wurden zudem Tafeln, die im öffentlichen Raum aufgestellt werden und zur Geschichte der Juden in Bad Honnef Informationen geben.