
Bad Honnef – Wir erinnern uns: CDU und Bürgerblock haben in der Debatte um die bauliche Neuausrichtung des Saynschen Hofes öffentlich und offiziell erklärt, eine Bewohnung der Innenstadt (City) durch prekäre Menschen sei “nicht gewollt”. Und, im selben Kontext, hat einer der Sprecher der Investoren dieses Millionen-Neu- und Umbauprojektes vor der Kamera von honnef heute kundgetan, prekäre, also eher arme Leute seien hier nicht vorgesehen. Die könnten die Preise nicht bezahlen (kleine Anmerkung: für Neubauten, die laut Aussage der zuständigen Architekten eine Haltbarkeit von ca. 30 Jahren besitzen). Diese Menschen müssten in das umliegende Land verschoben werden.
Maja Göpel, Ökonomin, Transformationsforscherin und Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung, betont in ihren vielfach ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeiten immer wieder, dass das aktuelle Wirtschaftssystem auf immer mehr Umsatz – und Gewinn – abzielt, und das sei ohne immer mehr Konsum nicht möglich. Also? Ein Fernseher, zwei Fernseher oder drei zuhause? Ein Auto, zwei Autos oder drei vor der Türe? Die Konsequenzen sind offensichtlich: Überfluss von Produkten und Waren, die niemand in dieser Fülle wirklich braucht. Raubbau an natürlichen Ressourcen. Gefährdung der Umwelt, der eigenen Stadt, der existentiellen Lebensbedingungen von uns allen. Hat schon mal jemand errechnet, wie viel grüne Fläche dem Bauwahn im superkleinen Bad Honnef in den vergangenen Jahren zum Opfer gefallen ist und noch wird?
Ein Umdenken ist gefragt, liebe Leute, nachdenken, sinnvolle Alternativen erdenken und ausprobieren, den immer wieder ungeprüft zitierten Maximen der sogenannten ökonomischen Chefdenker (Hajek, Smith, Friedmann und Co.) etwas entgegensetzen. Deren Grundlagen: ungebremster Freier Markt, stetig steigende Geldmengen, stetig wachsende Volkswirtschaften…
Hier in unserer kleinen Stadt gewinnt man zunehmend den Eindruck, dass die politischen Entscheidungsträger (und die dazu gehörenden Lobbyisten) genau diese Strategie verfolgen: immer mehr neu bauen, alte, zum historischen Stadtbild gehörende Architektur platt machen, immer höhere Preise, und ein stetiges Verdrängen der sozial schwachen, ja auch der Mittelschicht aus der Stadtmitte.
Quo vadis Bad Honnef?
Die Gemeinwohl-Ökonomie (Urheber ist der österreichische Politikwissenschaftler Christian Felber) setzt dem, ähnlich wie auch Maja Göpel, die Idee entgegen, Grundlage jeder öffentlichen Entscheidung (Staat/Kommune, Unternehmen/Wirtschaft, Non-Profit-Milieus etc.) müsse das sein, was vielen Menschen einer Gemeinschaft bzw. des Staates zugute kommt und nützt. Das Gegenteil: Entscheidungen, die lediglich auf die Interessen Einzelner oder einer Gruppe der Gemeinschaft abzielen.
Die Gemeinwohl-Ökonomie kann der Aufbruch zu einer ethischen Marktwirtschaft sein, deren Ziel nicht die Vermehrung von Geldkapital ist, sondern das gute Leben für alle. Sie setzt die Menschenwürde, die Menschenrechte und die ökologische Verantwortung als Gemeinwohl-Werte in der Wirtschaft und im gouvernalen System um.
Wie könnte man Verwaltung, Politik und Parteien in Bad Honnef befähigen, stärker Gemeinwohl-orientiert zu entscheiden?
Eine aus meiner Sicht gute Hilfe liefert die von Felber entwickelte “Gemeinwohl-Matrix”, in unserem Falle die für staatliche Gemeinden. Diese Methode (oder auch Philosophie) verbindet die Werte, welche das Gelingen von Arbeits-, Kooperations- und sozialen Beziehungen sowie ein “gutes” Leben (einträgliche fiskalische Existenzgrundlagen für jedes Individuum, Gesundheit, Anerkennung etc.) fördern, mit den dabei jeweils wichtigsten Bezugsgruppen von Staat, Gemeinden, Wirtschaft und Unternehmen.
Anstelle von endlosem materiellen Wachstum (für wen? für wie viele?) macht es das Wohlergehen der Menschen messbar: Gesundheit, Zufriedenheit, sozialer Zusammenhalt, Verteilungsgerechtigkeit, politische Mitwirkung und ökologische Stabilität.
Auf diese Weise lässt sich das von der Gemeinwohl-Ökonomie formulierte Gemeinwohl-Produkt erwirtschaften. Das ist ein Instrument, welches die Wirtschaftsindikatoren an die Grundwerte der Gesellschaft, der Bad Honnefer Gesamtgesellschaft, anpasst. Die gesellschaftlichen Ziele (Werte) werden dabei von Bürger-Räten oder im Rahmen eines Konvents festgelegt. Die zwanzig wichtigsten Werte finden dann Aufnahme in das Gemeinwohl-Produkt. Beispiele: Keine Armut, biologische Vielfalt, Vertrauen und Sicherheit, Gesundheit und gute Bildung u. a. m.
Um es noch einmal pointiert darzustellen:
- Das tradierte System des Brutto-Inland-Produktes (BIP) misst folgende Parameter:
- Produktion von Gütern und Dienstleistungen
- Nachhaltigkeit
- Lebensqualität
- Einkommensgleichheit
- Menschenrechte
- Gemeingüter
- Beitrag zur Gesellschaft
Das Gemeinwohl-Produkt misst:
- Ökologische Nachhaltigkeit
- Menschenrechte
- Teilhabe
- Lebensqualität und Zufriedenheit
- Beitrag zur Gesellschaft
- Alles, was für ein menschliches Leben existentiell wichtig ist.
Prof. Dr. Göpel hat dargestellt, dass wir in der aktuellen Art und Weise zu wirtschaften 19 Prozent des BIP abziehen müssten, einfach weil ökologische, gesundheitliche und gesellschaftliche Kosten nicht mitgerechnet werden. Schauen wir auf die Folgen der Flutkatastrophe an der Ahr: Deutschland hat 30 Milliarden EURO an Ausgaben für die Aufräumarbeiten nach den Überschwemmungen. Die werden das BIP zweifellos positiv beeinflussen, da ökonomische Transaktionen notwendig sind. Aber: ist das ein Erfolg? Sind Ausgaben in die Vermeidung von Flutkatastrophen etc., also in Klimaschutz, wirklich Schulden? Oder doch eher Investitionen?
Auch hier winkt freundlich der Ratgeber “um- und neu denken”, Alternativen zum Hergebrachten entwickeln. Es könnte doch so einfach sein.
Gemeinwohl-Matrix für Gemeinden
Geht man dieses Schema – beispielsweise – unter dem Aspekt “Bauen, Wohnen und Leben in Bad Honnef” durch, würden sich zum Beispiel folgende Fragen stellen (und von den politischen Entscheidungsträgern zu beantworten sein):
Zu A 4: Werden die Einwohner*innen hinreichend und ERNSTHAFT beteiligt? (Anm.: Effektive Beteiligungsmodelle auf kommunaler Ebene gibt es genügend, erprobt und erfolgreich umgesetzt. Der entscheidende Impuls ist IMMER: steht die Spitze der Verwaltung und des kommunalen Rates hinter dem jeweils gewählten Verfahren?)
Zu B1 und B2: sind die Mindestanforderungen an eine ethische Stadt- und Wohnungsplanung, der der Mensch und nicht ein Investor im Mittelpunkt steht, gewahrt? (Anm.: die sprunghafte Zunahme sog. Investorenmodelle, auch in unserer Stadt, steht bundes- und europaweit unter dem Generalverdacht der Geldwäsche, also der organisierten Kriminalität. Ohne irgendjemanden zu verdächtigen und ohne jede Schuldzuweisung sollte doch geprüft werden, wer sich hinter “den Investoren” verbirgt? Wer sind sie? Wer profitiert von den fiskalischen Transaktionen? Beim käuflichen Erwerb des ehemaligen Kaiser’s Kaffee-Gebäudes sind mittlerweile mehrere verschiedene Investoren Gruppen involviert, ursprünglich dem Vernehmen nach eine mehr als 100-köpfige Gruppe von Geldinvestoren aus dem Frankfurter Raum.)
Zu C2: Bestehen verbindliche Zielvereinbarungen für das Gemeinwohl bei der Bauplanung und -realisierung? Denkt man die eingangs zitierten Stimmen, welche einen Ausschluss von Nicht-Reichen bei derVergabe von Pacht, Miete und Kauf in der Innenstadt anstreben, dürfen Zweifel geäußert werden.
Zu D1 bis D5: Können alle dort genannten Kriterien bejaht werden?
Zu E1 bis E5: dito.
Die Frage, die sich stellt, lautet: welche der Fraktionen und welche der Parteien in Bad Honnef hat dieses Schema im Blick? Welche Fraktion und welche Partei hat diese Werte im Blick? Und richtet sich danach? Wer entscheidet überhaupt über die wichtigsten Transaktionen im Sektor Bauen und Wohnen (und Leben im “lebenswerten Bad Honnef”)? Ratsvertreter, Lobbyisten, anonyme Geldinvestoren? Es wäre wirklich an der Zeit, wenn wenigstens eine politische Partei den Mut hätte, hier Roß und Reiter konkret zu benennen.
Das mit den Bürgerräten wollen die Klima-Kleber von der allerletzten Generation auch. Das bedeutet letztlich jedoch die Abschaffung der Demokratie.
Für die genannten kommunalen Themen gibt es in einer repräsentativen Demokratie gewählte Gremien, in Honnef also den Stadtrat, da braucht es keine Bürgerräte. Wem die Arbeit gewählter Gremien nicht gefällt, muss bei der nächsten Wahl anders wählen oder sich selbst um ein Mandat bewerben. Alles andere ist irgendwas aus der Ecke Sozialismus/Kommunismus/Diktatur. Das braucht kein Mensch.