Rhein-Sieg-Kreis – Bereits im letzten Jahr wurden die Abiturprüfungen unter Corona geschrieben und Abiturient*innen mussten auf liebgewonnene Rituale wie die Mottowoche oder Abschlussfeiern verzichten. Der diesjährige Abiturjahrgang blickt auf noch größere Einschränkungen zurück: das gesamte letzte Schuljahr fand unter Corona-Bedingungen mal im Präsenz- mal im Distanzunterricht statt. Warum sie dennoch unbesorgt und mit Zuversicht auf ihre Prüfungen und den Einstieg in Berufsausbildung und Studium blicken, haben uns drei der aktuellen Abiturient*innen der Stufe 13 am Beruflichen Gymnasium des Berufskollegs des Rhein-Sieg-Kreises in Siegburg im Interview verraten.
Im Distanzunterricht zur Prüfungsvorbereitung
Lea-Marie Hustedt, Florian Korn und Tim Ratmann bereiten sich derzeit auf ihre Abiturprüfungen vor, die ab Ende April stattfinden sollen. Zu Beginn ihres letzten Schuljahres wurden Sie noch vor Ort unterrichtet, seit Mitte Dezember fand der Unterricht zwar nach Plan, jedoch überwiegend in Form von Videokonferenzen statt. Der Übergang ins „Homeschooling“ verlief dabei größtenteils reibungslos, auch wenn es anfangs hier und da noch kleine technische Unwegsamkeiten gab, die aber mit wachsender Routine beseitigt werden konnten. Für Florian lag der entscheidende Unterschied zum Präsenzunterricht in der Selbstorganisation, die das Distanzlernen den Schüler*innen abverlangt. Auch wenn er den Unterricht vor Ort für etwas produktiver hält, konnte er dem Fernunterricht etwas Positives abgewinnen: „Ich hab das Gefühl, dass die Zusammenarbeit der Schüler untereinander vorher schon gut war, aber jetzt noch besser ist. Alle versuchen, das Beste draus zu machen und unterstützen sich gegenseitig.“ Auch seitens der Lehrer*innen hätten sie viel Unterstützung erfahren. Tim ergänzt: „Wir wurden auf jeden Fall nicht allein gelassen von den Lehrern.“
Umgang mit Corona Regeln an der Schule
Seit Schuljahresbeginn wurden Schüler*innen und Lehrer*innen in Deutschland mit rasch wechselnden Verordnungen und Richtlinien konfrontiert. In Bezug auf den Umgang der Schule mit Infektionsschutz und der Organisation des Distanzlernens ziehen die Schüler*innen eine positive Bilanz. „Ich hab das Gefühl, dass die Schule damit verantwortungsvoll umgeht,“ resümiert Florian. Er habe von anderen Schulen schon einen deutlich laxeren Umgang mit Regeln mitbekommen. Die Vermeidung von zu viel Kontakten durch die geänderten Pausenregelungen oder das Einbahnstraßensystem, um Gedränge zu vermeiden, seien gute Maßnahmen. Auch Tim ist mit dem Corona-Management der Schule zufrieden. „Man hat gemerkt, dass die Schule sich Gedanken gemacht hat, was am meisten Sinn macht und was vor allem den Schülern am meisten hilft.“
Der persönliche Kontakt fehlt
Präsenzunterricht und vor allem das soziale Miteinander kann der Distanzunterricht nicht vollends ersetzen. „Man probiert, das Beste draus zu machen und sich in den 15 Minuten Pause zwischen den Stunden über WhatsApp oder Teams zu schreiben, aber das ersetzt nicht das Persönliche,“ findet Florian. Lea vermisst vor allem Gruppenarbeit im Unterricht, „aber auch einfach diese Flurgespräche, dieses kurze Austauschen über Kleinigkeiten, die einem im Endeffekt aber doch sehr, sehr viel bringen .“
Positives in der Krise
Dennoch sehen sie trotz aller Einschränkungen auch etwas Positives in der aktuellen Situation. In Bezug auf das schulische Miteinander und den Kontakt der Schüler*innen untereinander findet Florian: „Manch einer wird sagen, es ist schlechter geworden, weil man in Distanz ist. Ich sage, es ist besser geworden, weil es eine Ausnahmesituation ist. Wir sitzen alle in einem Boot – auch mit den Lehrern – und das hat das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt.“ Tim findet, dass es aufgrund des digitalen Unterrichts leichter geworden ist, Lehrern eine Frage zu stellen. „Wenn man jetzt ein Problem hat, fragt man den Lehrer eher im Chat in Teams als früher vor der gesamten Klasse. Die Lehrer waren bislang sehr aufmerksam und haben zügig geantwortet. Man ist im Umgang viel lockerer geworden und traut sich nun eher zu fragen, wenn man etwas nicht verstanden hat.“ Lea ergänzt: „Früher hat man dreimal überlegt, ob man eine Mail an den Lehrer schreibt. Jetzt schreibe ich eine kurze Chatnachricht und bekomme eine rasche Antwort. Der Kontakt zwischen Schülern und Lehrern ist enger geworden.“
Gut vorbereitet auf das Abitur
Nicht zuletzt dank der gegenseitigen Unterstützung fühlen sich Lea, Florian und Tim bereit für die Prüfungen. „Ich kann es nicht einschätzen, wie es gewesen wäre, hätten wir nur Präsenzunterricht gehabt,“ so Lea. Sie fühle sich aber ziemlich gut auf das Abitur vorbereitet. „Ich kann die Lehrer immer anschreiben, meist bekomme ich sehr schnell eine Rückmeldung. Viele Lehrer sind immer erreichbar und haben ein offenes Ohr.“
Nachteile gegenüber Abiturient*innen aus vorherigen Jahrgängen sehen die jungen Leute kaum. „Was mich allerdings sehr ärgert,“ sagt Florian „ist wenn Menschen sagen, unser Abi wäre nicht so viel wert. Irgendwie schwebt über einem, dass man die Corona-Generation ist und ein Abi zweiter Klasse macht.“ Dabei übersehen die Leute, dass gerade das Distanzlernen vielen Schüler*innen auch einen großen Schub im Bereich Selbstorganisation, Eigenmotivation und auch im Umgang mit digitalen Medien wie Teams gebracht hat.
„Manche haben das selbständige Lernen nun lernen müssen,“ so Lea, die weiß, dass dies ja eine wichtige Voraussetzung ist, wenn man einen Beruf lernt oder ein Studium beginnt. Auch Florian sieht im selbständigen Lernen eine gute Vorbereitung auf die Uni. Den Übergang ins digitale Lernen sieht er positiv „Es wird ja viel über die Digitalisierung an deutschen Schulen geflucht, aber eigentlich hat es bei uns gut funktioniert und die Schule hat flexibel reagiert.“ Ihm persönlich hat der Wechsel ins Distanzlernen noch einmal einen Motivationsschub gebracht. „Man hat viel Freizeit während des Lockdowns, mit Freunden treffen geht ja nicht, also kann man sich auch hinsetzen und lernen.“
Ende der Schulzeit ohne gemeinsame Abschlusserlebnisse
Trotz des positiven Ausblicks auf die Prüfungen vermissen die Schüler*innen doch Einiges, was für andere Abiturjahrgänge ganz selbstverständlich war. Die Abschlussfahrten zum Ende der Jahrgangsstufe 12 mussten im letzten Sommer bereits ausfallen. Eine Mottowoche gab es diesmal nicht und auch keinen Abi Streich. Ein Abschlussball mit allen Mitschüler*innen, Eltern und Freunden kann in diesem Jahr ebenfalls nicht stattfinden. „Ich hab nicht das Gefühl, dass ich nach 13 Jahren jetzt die Schule verlasse. Das ist wirklich schade,“ so Lea.
Privat mussten ebenfalls einige Pläne für die Zeit nach dem Abitur abgesagt oder verschoben werden. Die Hoffnung ist noch da, in diesem Sommer zumindest etwas Kleines machen zu können, vielleicht Campen mit Freunden und dann einen richtigen Urlaub im nächsten Jahr.
Ihrer beruflichen Zukunft sehen alle drei jedoch optimistisch entgegen. „Schulisch und beruflich bin ich positiv eingestellt. Ich sehe, dass es mit einer App wie Teams gut klappt,“ sagt Lea. Tim ist zufrieden, dass er auch in der Ausbildung, die er im Sommer beginnen wird, mit dem Berufskolleg in Siegburg an einer Schule bleibt, „die eine gute Strategie fährt und gut aufgestellt ist.“ Und auch Florian ist sich sicher, dass die IT-Branche, die er sich ausgesucht hat, „eher zu den Gewinnern der Krise gehört.“
Anja Noll und Greta Schäfer