Bad Honnef – Fast einen Monat ist es her, als den Eltern die Nachricht überbracht wurde, dass die Kita Unterm Regenbogen vorerst nicht mehr betreten werden darf. Der Grund sind bauliche Probleme. Mitarbeitern fiel auf, dass sich das Dach in einem Gruppenraum wölbte. Ein herbeigerufener Statiker empfahl, die Einrichtung nicht mehr zu betreten. Träger und Kita-Leitung taten das einzig Richtige und erließen ein Betretungsverbot. Sicherheit und Gesundheit gehen vor.
Der umsichtige Entschluss hat allerdings weitreichende Folgen, denn die Kinder wurden aus einem für sie wichtigen sozialen Netzwerk gerissen, Eltern mussten kurzfristig Lösungen für die Betreuung ihrer Kinder finden und das Personal vor Ort sieht sich vor die Aufgabe gestellt – trotz aller Widrigkeiten – das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen.
Während die Eltern nach Angaben Beteiligter von der Leitung und dem Träger gut informiert wurden, drangen Infos nur auf Anfrage in die Öffentlichkeit. Ein Antrag der Grünen, der wichtige Fragen zur gegenwärtigen Lage enthält, wurde in der letzten Ausschusssitzung kurzfristig in den nichtöffentlichen Teil verschoben.
Am Montag nun wird der Betreuungsbetrieb teilweise wieder aufgenommen – an drei verschiedenen Orten, in einem rollierenden System und mit deutlich reduzierter Betreuungszeit. Die beträgt durchschnittlich in der Woche nur noch 17,5 beziehungsweise 12,5 Stunden.
Hannah Nolden ist Mutter von zwei Kindern. Ihr Sohn ist sechs Jahre alt, die Tochter zweieinhalb. Für sie ist – wie für viele andere – das Schicksal der Kita nur schwer zu ertragen. Der ältere Sohn könne rationaler mit der Situation umgehen, die Tochter habe da größere Probleme. „Sie versteht natürlich nicht, warum sie auf das Zusammenspielen mit ihren Freundinnen und Freunden in der Kita verzichten muss“, sagt Hannah Nolden, die an einer Realschule in Bonn unterrichtet.
Zu ihrem Glück arbeitet sie nur an vier Wochentagen, sodass es ihr dank eines starken sozialen Netzwerkes möglich ist, den Betreuungsausfall vorerst auszugleichen. Ihr Mann investierte zunächst mehr Zeit in Homeoffice, hat nun seine ganze Stelle um die Hälfte reduziert. Es fehlt so ein halbes Gehalt. „Wir sind durch die Umstände trotzdem nicht existenziell bedroht“, betont sie. Da seien andere Mütter und Väter schlimmer dran. Sie geht davon aus, dass manche nach drastischen Lösungen suchen müssen, vielleicht sogar auf ihren Arbeitsplatz verzichten müssen.
Die Stimmung unter den Eltern erlebt Hannah Nolden unterschiedlich. Für die einen sei die Lage existenzbedrohend. Aber es gebe auch einen starken Zusammenhalt. Eltern, für die es machbar sei, würden andere Kinder mitbetreuen. Sie selbst kümmert sich mit um Kinder aus der Nachbarschaft, damit die Eltern arbeiten gehen können. Das sei zwar unheimlich anstrengend, ginge aber nicht anders.
Trotz der immensen Belastungen macht sie niemandem einen Vorwurf. Keiner könne etwas dazu, es sei eine Art höhere Gewalt. Die Leitung und die Mitarbeiterinnen erlebt sie als unheimlich engagiert. Sie hätten sogar einen Tag in der Woche für die Förderung der Vorschulkinder eingeplant, „das haben die wirklich super gemacht“. Trotzdem sei es schade, dass die zukünftigen Schulkinder auf vieles verzichten müssten, bevor der Ernst des Lebens beginne.
Wie es weitergeht, weiß sie nicht. Der gesamte Schaden sei noch nicht einmal bekannt. Gerüchte, die Sanierungsmaßnahme könnte mindestens ein Jahr dauern, sind für sie eine Horrorvorstellung. Nicht nur wegen des Bankkontos, auch die aufwändige Organisation, um die Kinder betreuen zu können, macht ihr Sorge. „Wir haben Corona überstanden – es ist alles machbar, aber unheimlich anstrengend“.
Oft hat die Stadt für den Zuzug junger Familien geworben. Es fehlen aktuell mindestens 80 Kitaplätze in Bad Honnef. Nun sind weitere 96 Kinder von einer Unterbetreuung betroffen.
Gegenüber Honnef heute äußerte die Stadt, es handele sich um ein Problem des Trägers. Allerdings kommentiert das Jura-Forum: „Halten Kommunen keine ausreichenden Kita-Plätze bereit, können Eltern grundsätzlich Schadenersatz-Ansprüche geltend machen. Müssen berufstätige Eltern wegen fehlender Betreuungsplätze Zuhause bleiben und ihr Kind selbst betreuen, haften Städte und Gemeinden damit unter Umständen auch für den angefallenen Verdienstausfallschaden der Eltern, urteilte am Donnerstag, 20. Oktober 2016, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az.: III ZR 278/15, III ZR 302/15 und III ZR 303/15).“
Über eine Klage wird offensichtlich unter einigen Betroffenen bereits diskutiert. Hannah Nolden sagt, in ihrer Familie sei eine Klage ebenfalls im Gespräch, entschieden sei noch nichts. Erst wolle sie die weitere Entwicklung abwarten. Es sei auch von Bedeutung, wie lange es dauern wird, bis eine normale Betreuungssituation hergestellt werden kann.
Eines ist für die Mutter zweier Kinder klar: Die Lösung mit der Raumaufteilung und dem rollierenden System sei für den Start in ein Provisorium akzeptabel, könne aber nicht so bleiben. Als Lehrerin habe sie einen festen Stundenplan, den könne sie nicht nach ihren Bedürfnissen umgestalten. Und auch die drei Standorte seien allenfalls für eine kurze Zeit hinnehmbar.
„Wir brauchen Hilfe, von wem auch immer!“, fasst Hannah Nolden zusammen. Es komme ihr so vor, als hätten die Kita-Betroffenen Corona und alle anderen nicht. Nur: „Zu Coronazeiten hat der Staat geholfen, um den Menschen zu helfen. Jetzt ist es eine kleine Gruppe, die auf sich alleingestellt ist.“
Eine weitere Anfrage an die Stadt, welche Verantwortung sie trägt und welche Maßnahmen sie ergreift, damit die Kinder der Kita Unterm Regenbogen vertragsgemäß betreut werden können, blieb bislang unbeantwortet.