Bad Honnef – Bad Honnef ist mit 25.000 Einwohner klein, Bonn mit 300.000 Bürgerinnen und Bürgern über zehnmal so groß. Verständlich, dass der Kulturbetrieb in der Bundesstadt größer und spannender ist. Dennoch muss sich Bad Honnef nicht verstecken und sollte dem Rat des Experten folgen, kulturell weiträumiger zu denken.
Gerade in der warmen Jahreszeit folgt ein OpenAir-Konzert dem nächsten, in diesem Jahr gibt es wieder eine 7M-MusicNight, im Juni beginnen die Veranstaltungen auf dem Ziepchensplatz, Musik im Veedel gibt es auf dem Berg und im Tal, im Reitersdorfer Park spielt im Sommer die „Musik im Park“. Gerade gingen mit dem Stephanie Troscheit Trio im LILO und mit Cole Quest and the City Pickers im Weingut Broel zwei tolle Konzerte über die Bühne. Es gibt die Klassikkonzerte im Kursaal und die von Christa und Dieter Lüttke am Dachsberg, der Kunstraum auf dem Rathausplatz ist mit Ausstellungen und Konzerten aktiv wie nie, die Veranstaltungen im Zeughaus Kleinkunstkeller hautnah laufen top und auch in diesem Jahr werden wieder Bad Honnefs Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers öffnen. Nicht zu vergessen, das gigantische Projekt Bad Honnef tanzt und Folk im Feuerschlösschen. Leider haben die FiF-Macher ihr Engagement letztes Jahr beendet. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und hier sind noch nicht einmal die vielen Künstlerinnen und Künstler aufgezählt, die es in Bad Honnef gibt.
Kulturförderung ist für die Stadt ein Fremdwort
Die meisten Angebote gäbe es jedoch nicht, hätten nicht viele Bad Honnefer richtig viel Spaß an Kultur. Sie setzen sich ehrenamtlich für ein attraktives und ansehnliches Kulturprogramm ein und finanzieren es auch noch größtenteils aus der eigenen Tasche. Denn Kulturförderung ist für die Stadt ein Fremdwort, wenn sie sich auch gerne mit den vielen Veranstaltungen schmückt.
Natürlich hat eine rein ehrenamtliche Struktur Grenzen. Geht das Geld aus, überlegen sich Veranstalter dreimal, ob sie weitermachen sollen. Viele Künstlerinnen und Künstler spielen ohne Gage oder lassen den Hut rumgehen. Kann man machen, hat aber letztlich nicht viel mit Würde zu tun. Man stelle sich vor, der Kulturamtsleiter ginge mit dem Hut Geld sammeln, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. In Bad Honnef käme das sowieso nie vor, denn eine solche Stelle gibt es nicht. Irgendwann muss es sie mal gegeben haben. Dann soll der damalige Amtsinhaber in Pension gegangen sein und seine Stelle wurde nicht neu besetzt.
Im Rathaus zuständig für Kultur ist Norbert Grünenwald. Der muss sich gleichzeitig auch um Sport und Bildung kümmern. Während Bildung zu den Pflichtaufgaben einer Kommune zählt, fallen Kultur und Sport unter den Begriff freiwillige Leistungen. Was das bedeutet, wenn eine Kommune wie Bad Honnef klamm ist, muss wohl nicht gesondert erklärt werden. Ist das Stadtsäckel leer, gibts nix. Es gab in Bad Honnef eine Zeit, da wäre wegen fehlenden Kleinstbeträgen fast die Musikschule geschlossen worden.
Wäre der Bad Honnefer Kulturbetrieb ein Stern am Firmament, sähe man bis tief uns Land ein strahlendes Funkeln. Blickte man aber vom Himmel auf das Kultursystem in der Badestadt, gingen schnell die Lichter aus.
Ein bunter Vogel überzeugte die Konservativen
Vor zwei Jahren hatte der CDU-Ratsvertreter Dr. Christian Kunze sprichwörtlich die Nase voll von der Halbherzigkeit, mit der die Kultur am Ende oder Anfang NRWs behandelt wird. Er blickte beispielsweise nach Hennef, machte sich dort mit Dominique Müller-Grote bekannt. Müller-Grote ist nicht nur reichlich ausgestattet mit Tattoos, sondern er ist Amtsleiter im Hennefer Rathaus – genau: Kulturamtsleiter. Ein bunter Vogel, wie der Stadtanzeiger schrieb. Kunze und seine Kollegen Annette Eichendorff luden den bunten Vogel nach Bad Honnef ein. Danach stand für sie fest: Politik kann die Kulturakteure nicht ersetzen, aber die vielfältigen kulturellen Aktivitäten und Akteure subsidiär begleiten, um der Kultur einen wichtigeren Stellenwert als derzeit zu geben. Kultur dürfe kein „Anhängsel“ des Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) sein, sondern sei ein integrativer Bestandteil desselben.
Bis 2022 geschah nichts. Dann machte Kunze den Kommunalpolitikern Dampf und stellte den Antrag auf die Erstellung eines Kulturentwicklungskonzeptes. Es hatte zunächst den Anschein, dass Kunzes Forschheit die Bad Honnefer Politik eher verunsicherte, als sie von seiner überfälligen Idee zu überzeugen. Wohl irgendwie überrumpelt oder moralisch unter Druck geraten, ließ sich der Rat auf einen Deal ein und stimmte einem Budget von 20.000 EUR für die Erstellung eines Kulturentwicklungskonzeptes zu. Ziel solle es sein, eine „fortschreibungsfähige Grundlage für die Kulturlandschaft Bad Honnefs sowohl in der Berg- als auch in der Tallage zu schaffen. Dabei sollen insbesondere die Bedürfnisse der Akteure mitbedacht und deren Wünsche und Vorstellungen in den Prozess der Erarbeitung integriert werden“. Den Auftrag erhielt das Planungsbüro STADTart aus Dortmund. Gestern Abend stellte Inhaber Ralf Ebert das bisher Erarbeitete im Kulturausschuss vor.
Der Stadtplaner machte einen soliden Job. Teile seiner Analyse: 39 stationäre kulturbezogene Einrichtungen gibt es in Bad Honnef, nahezu jede Sparte ist vertreten und Musik bildet den Schwerpunkt. Es werden unterschiedliche Alters- und Zielgruppen angesprochen, sehr ausgeprägt im Brauchtum und der Musik. Es gibt attraktive Standorte für Kultur, wie die Insel Grafenwerth. Herausforderungen für die Bad Honnefer Kultur sind Öffentlichkeitsarbeit (incl. kostenlose und legale Plakatierung – Anm. d. Red.), die Vernetzung lokaler Kulturakteure und der Austausch mit der Stadtverwaltung. Auch interkommunale Zusammenarbeit empfiehlt Ebert. In der Verwaltung soll es einen Ansprechpartner für Kultur geben. Die Jugendkultur muss gestärkt werden, für Veranstaltung im Außenbereich soll eine mobile Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, Aegidienberg muss besser in Kulturformate eingebunden und die kulturelle Ehrenamtsarbeit braucht Unterstützung. Ein Einstieg in einen kommunalen Kulturfonds schlägt STADTart vor, auch einen „Kulturverantwortlichen mit Aufwandsentschädigung“ sowie einmal im Jahr einen runden Tisch.
Wie geht es jetzt weiter?
Es gab Nachfragen von Ausschussmitgliedern. Sicherlich die interessanteste: „Wie gehts jetzt weiter?“ Der Erste Beigeordnete, Holger Heuser, erklärte, heute sei es zunächst um die Vorstellung des Konzepts von STADTart gegangen. Die Vorlage und Beschlussfassung des fertigen Kulturentwicklungskonzeptes sei für die kommende Ausschusssitzung am 24.09.2024 vorgesehen. Klammer auf: Gruselig der Gedanke, dass dann in Thüringen ein Faschist regieren könnte. Aber was hat das mit Bad Honnef und dem Kulturentwicklungskonzept zu tun? Klammer zu.
Was Öffentlichkeitsarbeit im Kulturbereich angeht, ist Bad Honnef nicht nur wegen eines reichhaltigen Informationsangebots durch Zeitungen, Magazine und tagesaktuellen Internetportalen fortschrittlich. Aus der Stadt kommt auch die interkommunale Onlineplattform kulturmeile-siebengebirge.de. Sie will kulturell Bad Honnef und Königswinter im engeren Bereich, und das Siebengebirge mit Bonn und der Region Linz verschmelzen. Was bereits geschieht – wenn auch noch nicht mit voller Kraft voraus.
Das Projekt Hotspot KW von Franca Perschen und Helmut Reinelt ist übrigens sehr an einer intensiveren Zusammenarbeit mit Bad Honnef interessiert. Wenn STADTart einen Kümmerer für die Bad Honnefer Kultur vorschlägt, wären die beiden vermutlich erfolgversprechende Ansprechpartner.
Ein persönlicher Eindruck: So richtig in Begeisterung versetzte der Tagesordnungspunkt Kulturentwicklungskonzept die Ausschussmitglieder wohl nicht. Es waren offensichtlich eher Pflichtfragen, die die einzelnen Fraktionsvertreter im Anschluss an den Vortrag stellten. Eben bis auf die eine Frage: Wie geht’s jetzt weiter?
Vielleicht bringt die UNESCO-Kulturdefinition mehr Pep in die Diskussion:
„Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“
Bad Honnef, was willst Du mehr?