Bad Honnef – Nicht „Lebensfreude verbürgt“ macht Bad Honnef einmalig, sondern die Menschen und die Stadt. „Bei der baulichen Veränderung verschiedener Stadtteile kann einem schon schwindlig werden“, kommentierte ein ehemaliger Bad Honnefer während seines jüngsten Besuchs in der alten Heimat. Das meinte er nicht im positiven Sinne. Erschreckend fand er die vielen, überdimensionierten Neubauten, gebaut nach der Formel „Quadratisch! Praktisch! Teuer!“, vor allem im Ortsteil Rhöndorf. Aber auch im Bereich der Bergstraße schlackern manche beim Anblick der neuen Betonkolosse mit den „Augen“.
Die Bad Honnefer SeniorenUnion hat nun genug gesehen von einer unrühmlichen Entwicklung, die möglich ist, weil Bad Honnef keinen gültigen Bebauungsplan hat und somit gilt, was rund um den Bauplatz in Größe und Form bereits existiert. Die Rechtsgrundlage dafür bildet der Paragraf 34 Baugesetzbuch, der besagt: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“

In einer Pressekonferenz stellten heute die stellvertretenden Vorsitzenden Susanne Langguth und Annette Eichendorf sowie Beisitzerin Claudia Horn die „Leitlinien für verantwortungsvolles Planen und Bauen in Bad Honnef“ der SeniorenUnion im Café Profittlich vor. SU-Vorsitzender Rolf D. Cremer konnte wegen Erkrankung nicht teilnehmen.
Baupolitik habe einen wesentlichen Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit der Stadt, bei jeder Entscheidung müssten Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden, begann Susanne Langguth ihren Part der Präsentation. Umwelt, Soziales, Wirtschaft und Kultur seien die Ankerpunkte, die bei jeder Neubebauung hinterfragt werden müssten.
Obwohl gerade im Bereich Bauen und Planen die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen besonders groß seien, gebe es „so gut wie kein Verfahren, in dem die Stadt Bad Honnef proaktiv mit der Aufstellung von Bebauungsplänen oder der Entwicklung einer Gestaltungssatzung möglichen Fehlentwicklungen entgegenwirkt“, so Langguth. Es sei dringend erforderlich, dass die Stadt die Planungshoheit wieder nutze. Bebauungspläne und Gestaltungssatzungen müssten dazu beitragen, dass in kritischen Bereichen der Paragraf 34 BauGS ausgeschlossen werde.

Gelinge das nicht, stünde die Erhaltung der Identität mit der Stadt auf der Kippe. Baukultur stifte Identität, zeige Tradition, sei Heimat. Gesichtslose und ortsfremde Neubauten würden das baukulturelle Erbe immer mehr gefährden, so Langguth. Viele Bestandsgebäude würden zudem zu schnell „zu Altlasten deklassiert und für den Abriss freigegeben. Bei den Neubauten ginge es dann bei der Nutzung nicht mehr um Quadratmeter, sondern Quadratzentimeter. Es entstünde teurer Wohnraum, der dem Ziel, junge Familien nach Bad Honnef zu holen, konträr gegenüberstehen würde. Die Stadt brauche aber Zuzug.
Das alte Stadtbild müsse mehr wertgeschätzt werden, mahnte Langguth und sie forderte zudem mehr Transparenz beim Bauen und Planen. Die bisherige Vorgehensweise bei der Information von Bürgerinnen und Bürgern habe eher zu Misstrauen geführt. Hier müsse darauf hingewirkt werden, Vertrauen zurückzugewinnen.
Claudia Horn, die auch Stellvertretende Bürgerin im Ausschuss für Umwelt, Mobilität, Klimaschutz und Wald ist, machte insbesondere auf die Situation in der Konrad-Adenauer-Straße in Rhöndorf aufmerksam, wo teure Großwohnungen entstehen würden und die Bürgerinnen und Bürger verstünden nicht warum. Junge Familien mit Kindern würde man dort wohl kaum sehen. Auch ihr sind die klotzigen Standardbauten ein Dorn im Auge. Sie machten das Bild des Ortes austauschbar. Das Ortsbild sei allerdings wichtig für Heimatgefühl und Identität. Gerade in Zeiten der Pandemie sei erkennbar geworden, wie wichtig der Bezug zur Heimat ist.


Aber auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei die Erhaltung des historischen Ortsbilds von großer Bedeutung. Hier müsse man nur an den Fremdenverkehr denken. „Die Suche nach lokaler Identität, die auch durch eine authentische Architektur geprägt wird, ist zunehmend zu einem Entscheidungsfaktor für Gäste geworden“, erklärte Claudia Horn. Ebenso sei das Stadtbild für Unternehmen ein Entscheidungskriterium bei der Wahl von Standorten.
Wichtig für Horn ist ein Ensembleschutz. Hierbei ginge es um Gruppen von Gebäuden, die für das städtebauliche Erscheinungsbild von großer Bedeutung seien. Als Beispiele nannte sie den Ziepchesplatz und den Platz um die St.-Martin-Kapelle in Selhof. Die Bestimmung zu Ensembles sollten in einer Satzung geregelt und begründet werden.

Ausgiebig geht die SeniorenUnion in ihrem Papier auf die Klimaauswirkungen versiegelter Flächen ein. Durch den Wegfall von Natur bestünde beispielsweise die große Gefahr von zunehmender Hitze, aber auch von Überschwemmungen. Bei Bauvorhaben müssten deswegen verbindliche Richtwerte vorgegeben werden.
Problematisiert werden sollte, ob intakte bestehende Gebäude für größere immer gleich weichen müssten, wie es in Bad Honnef vielfach der Fall ist. Der Abriss eines alten Gebäudes verursache mehr CO2-Ausstoß, als ein neues Gebäude jemals einsparen könne, so Horn. Sie erinnerte an ein Haus in der Konrad-Adenauer-Straße, das vor dem Verkauf noch aufwändig saniert wurde und jetzt vor dem Abriss steht.

Auf die Problematik fehlender Transparenz ging Annette Eichendorf ausführlicher ein. Widerstand gegen Bauvorhaben gebe es vor allem dann, wenn über Verfahren nicht von Beginn an verständlich informiert werde. Als positives Beispiel rief sie die Aktion der CDU zum Quartiersprojekt „Rederscheider Weg“ in Erinnerung. Dort habe die Ortsgruppe Aegidienberg die Bürgerinnen und Bürger zu einem Austausch von Ideen eingeladen, noch bevor die Stadt mit der Planung begann. Die Ergebnisse seien dann veröffentlicht worden.
Mit ihrem Papier zur Bausituation in Bad Honnef hat zum ersten Mal eine politische Organisation konkret und verständlich auf die Ist-Situation in der Stadt reagiert. Sie hat Mängel aufgezeigt und Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Nun liegt es an den Verantwortlichen der Stadtverwaltung, dieses Angebot anzunehmen und an der Politik, die richtigen Weichen zu stellen.