Bad Honnef/Oberpleis | Das Siebengebirge weint. Die Traubenernte in den Rhöndorfer Weinbergen fällt dieses Jahr aus. Mit großer Mehrheit stimmten heute Abend die Mitglieder des VVS in der Schulaula in Oberpleis einem Vorschlag des Vorstandes zu, der lediglich die Bereitschaft zur Unterstützung der Winzer signalisiert. Der vorgesehene Betrag von 500.000 EUR soll nach Möglichkeit nicht gezahlt werden. – Die Presse durfte während der Versammlung nicht fotografieren.
Da aus formalen Gründen die Mitgliederversammlung keine rechtliche Grundlage hatte, verbindlich über Entscheidungen zu befinden, müssen die Mitglieder nun im November neu einberufen werden. Auf Grund des späten Zeitpunktes und der Finanzierungslücke ist damit die Ernte für 2013 gestorben.
Bevor der Ehrenvorsitzende des, VVS Herbert Krämer, zu einer langwierigen offenen Diskussionsrunde aufrief, durfte der amtierende Vorsitzende Peter Lindlar noch einmal erklären, warum er gegen die Finanzierung der Sicherungsmaßnahmen in Höhe von 500.000 EUR ist. Dabei berief er sich auf ein Rechtsgutachten, das den VVS nicht in der Pflicht sieht, auf das viele Geld, das die Kassen des Verschönerungsvereins leeren würde und die Verantwortung als Vorstand. Denn sollte der Verein nicht so viel Geld auftreiben können, müssten die Vorstandsmitglieder für einen sich daraus ergebenden eventuellen Schaden haften. Dieses Risiko sei ehrenamtlichen Verantwortungsträgern nicht zuzumuten.
Scharf griff er Kritiker an, die ihm im Vorfeld übereinstimmend unsolidarisches Verhalten vorwarfen. Als Vorsitzender könne er den Mitgliedern nichts empfehlen, was unter Umständen die Existenz des Vereins in Frage stellen würde. Mitglieder zeigten sich besorgt um den erlittenen Imageverlust des VVS. Das gute Ansehen des Vereins dürfe nicht zerstört werden.
Landrat Frithjof Kühn berichtete aus dem Vorstand, dass man zähneknirschend unter bestimmten Voraussetzungen den Betrag aufbringen wolle. Die wichtigste: Bei zukünftigen Naturereignissen soll die Landesregierung den VVS von Schadensersatzpflichten freistellen.
Im Laufe der Diskussion wurden die unterschiedlichsten Positionen hörbar. Während einige noch einmal die Rechtsgültigkeit des Betretungsverbotes prüfen lassen wollten, fragten andere nach der Möglichkeit, als Freiwillige bei der Lese im Weinberg zu helfen. Ein kleiner Teil der Anwesenden war der Auffassung, der VVS müsse als Eigentümer Verantwortung übernehmen, viele Mitglieder Ü60 wollen auf Nummer sicher gehen, weil sie bei einem so hohen Zahl-Betrag die Gemeinnützigkeit gefährdet sehen. Das müsste erst einmal ordentlich geprüft werden. Erstaunlich: Für manche Diskutanten war der VVS nicht für die Gesamtheit des Siebengebirges zuständig, schon gar nicht Garant für die Sicherung von Arbeitsplätzen in den Weinbergen. Schließlich bestünde das Siebengebirge nicht nur aus den Flächen unterhalb des Siegfriedfelsens.
Hardliner rechneten gegen: Der Betrag von 500.000 EUR würde bedeuten, dass dem VVS dieses Geld bei der Umweltarbeit fehlen und er 15 Jahre Mitgliedsbeitrag von 1800 Mitgliedern ausmachen würde. Da trete kein Ehrenamtlicher mehr dem Verein bei.
Kreativer war der Vorschlag des Bad Honnefer Kreistagsabgeordneten Klaus Döhl. Er will mit verschiedenen Maßnahmen Geld für die Sicherungsmaßnahmen einsammeln, unter anderem mit Spendenaktionen. Außerdem könne er sich vorstellen, dass jedes VVS-Mitglied im Jahr 30 EUR zusätzlich in die Mitgliedskasse einzahlt, dann wäre das bei 1800 Mitgliedern und auf 15 Jahre gerechnet schon die halbe Miete.
Vorfinanzieren würde das Geld für die Sicherungsmaßnahmen die NRW-Bank. Einen entsprechenden Antrag haben mittlerweile alle Siebengebirgspartner unterschrieben – lediglich der VVS nicht.
Heimatverbundenheit demonstrierte Königswinters Bürgermeister Peter Wirtz: „Der VVS darf nicht der Sargnagel der Winzer sein,“ und seine Bad Honnefer Kollegin Wally Feiden sagte laut, worauf es jetzt ankommt: „Jemand muss die Minen vom Feld holen. Wir sind an dem Punkt angekommen, wo es nur noch darum geht, die Weinberge zu sichern.“ Und: „Es tut mir richtig weh, dass hier die Weinberge so gering geachtet werden.“
Klartext redete Burkhard Hoffmeister. Der Sprecher der Bad Honnefer Grünen hat hinter den Kulissen mit die Kontakte zum grünen Umweltministerium hergestellt und war auch bei dem Gespräch mit Vertretern der Ministerien, Kommunen, des Kreises, der Bezirksregierung und des VVS in Düsseldorf dabei. Seiner Empfindung nach hätte der VVS von Anfang an immer so getan, als habe er mit der Weinberg-Problematik nichts zu tun. Als Provokation empfand er den Vorschlag des Vorsitzenden Peter Lindlar, man könne ja 5.000 EUR beisteuern. Der Gipfel sei eine Erhöhung auf 10.000 EUR gewesen. Hoffmeister: „Eine blanke Provokation. Mehr Ohrfeigen kann man Menschen, die ernsthaft an einer Lösung interessiert sind, nicht verpassen.“ Außerdem rechnete Hoffmeister vor, dass die Sicherungsmaßnahmen insgesamt nur ca. 1,62 Mio EUR kosten und auf den VVS nur eine Belastung von 400.000 EUR zukommen würde.
Vor der von vornherein ungültigen Abstimmung mit roten Karten formulierte Landrat Kühn noch einmal die Ergebnisse des Abends: Der VVS ist bereit, im Interesse der Weinberge einen beachtlichen Betrag beizusteuern; der Vorstand wird beauftragt, ein Finanzierungskonzept zu erarbeiten und einen neutralen Gutachter zu verpflichten; das Land soll den VVS als Eigentümer bei zukünftigen Naturereignissen von jedweden Haftungen befreien. Denen stimmte die Mehrheit der verbliebenen Teilnehmer zu.
Der betroffene Winzer Karl-Heinz Broel zeigte sich fassungslos: „Das war’s mit der Ernte.“ Jörg Erich Haselier, Vorsitzender des Bürger- und Ortsvereins Rhöndorf: „Der VVS hat sich auf den kleinsten möglichen Nenner verständigt.“ Honnefs Bürgermeisterin Wally Feiden: „Ich habe nicht erreicht, was ich erreichen wollte. Mehr war nicht drin.“
Wally Feiden bemerkte noch etwas: „Wo waren eigentlich alle diejenigen, die mich während der Demo ausgepfiffen haben?“
Foto: Viele rote Karten für eine faulen Kompromiss. Während der Mitgliederversammlung bestand Fotografierverbot für die Presse.
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