Bad Honnef – Es hatte etwas von Super-GAU, als im Sommer 2019 die Folgen des Borkenkäferbefalls der Bäume im Stadtwald sichtbar wurden. Auf über 1200 Hektar Gesamtfläche war ein großer Teil des Baumbestandes, überwiegend Fichten, nicht mehr zu retten. Grund für die Katastrophe waren die trockenen Sommer, die dazu beitrugen, dass die Bäume immer anfälliger wurden.
Als Konsequenz mussten Tausende geschädigte Bäume gefällt werden, neue wurden gesetzt. Wie sieht es knapp ein Jahr nach dieser Maßnahme im Bad Honnefer Stadtwald aus? Hat sich die destruktive Lage beruhigt? Wie steht es aktuell um den Wasserhaushalt im Stadtwald? Wie sind die Perspektiven?
Honnef heute fragte bei Forstamtsleiter Stephan Schütte nach.
Honnef heute: Was hat eigentlich der Borkenkäfer im Winter gemacht?
Stephan Schütte: Die Borkenkäfer haben seit letzten Herbst – bei Temperaturen unter 15 Grad wird die Aktivität gestoppt – unter der Baumrinde von bereits befallenen Fichten, in auf dem Waldboden liegenden Rindenstücken sowie im Boden überwintert. Es wurden dazu Untersuchungen an 6 Stellen in NRW von der Schwerpunktaufgabe Waldschutz des Landesbetriebes Wald und Holz durchgeführt. Etwa 80 % der Käfer haben unter der Rinde und 20 % im Boden überwintert. Die nächste Untersuchungsstelle von hier aus war im Königsforst. Die Situation dort ist vergleichbar mit dem Siebengebirge. Dort wurden pro ha ca. 2,5 Mio Borkenkäfer/ha unter der Rinde und ca. 200 000 Borkenkäfer pro ha im Boden gefunden. Schon wenige 100 Käfer reichen aus, um eine noch lebende, durch die Trockenheit der Vorjahre geschwächte Fichte zu befallen.
Jetzt haben wir viel Sonne, Wärme, es ist Frühling – Freut das den Käfer?
Diese überwinternden Borkenkäfer sind jetzt mit Beginn der Wärme wieder ausgeflogen und bohren sich z. Zt. in die Rinde noch lebender, durch die beiden vergangenen Trockensommer bereits geschwächten Fichten ein. Aktuell kann man im Stadtwald wieder überall an noch gesunden Bäumen am Stammfuß das sog. Bohrmehl finden, dass ich Ihnen im vergangen Jahr ja gezeigt habe. Der „Sommer im April“ ist bezüglich der Borkenkäfersituation dramatisch. Ein kühles und feuchtes Frühjahr wäre erforderlich, um die Borkenkäferenwicklung zu bremsen. Jetzt ist genau das Gegenteil der Fall.
Wie finden die Weibchen eigentlich den Weg zum Männchen?
Die Borkenkäfermännchen befallen als sog. Pionierkäfer zunächst die Fichten, bohren sich in die Rinde ein und legen dort die sog. „Rammelkammer“ an. Dann senden sie Duftstoffe aus, sog. Pheromone, und locken damit die Weibchen an. Nach der Paarung frisst das Weibchen in senkrechter Richtung einen Brutgang in der Kambiumzone des Baumes und legt rechts und links ihre Eier ab. Aus den Eiern schlüpfen dann die Larven, die sich dann in waagerechter Richtung durch die Kambiumschicht fressen und dabei die Leitungsbahnen des Baumes zerstören mit der Folge, dass der Baum abstirbt. Nach dem Larvenfraß verpuppen sich die Larven. Nach ca. 6 wöchiger Entwicklungszeit schlüpft dann aus der Puppe ein neuer Borkenkäfer, bohrt sich durch die Rinde nach draußen und befällt den nächsten Baum.
Und wie viele Generationen können unter besten Bedingungen in einem Jahr heranwachsen?
Hier im milden rheinischen Weinbauklima können unter besten Bedingungen 3 bis 4 Generationen pro Jahr heranwachsen. Die Generationen sind durch sog. Geschwisterbruten später im Jahr nicht mehr genau auseinanderzuhalten. (Weitere Infos zum Thema Borkenkäfer in NRW finden Sie unter folgendem Link: https://www.wald-und-holz.nrw.de/forstwirtschaft/borkenkaefer)
Zeigt die Fällung der Bäume im Stadtwald im letzten Jahr schon positive Effekte?
Die Fällung der Bäume im Stadtwald im letzten Sommer – insgesamt ca. 15 000 Fichten – hat den Befallsdruck vermindert. Dann mussten die Fällarbeiten ja vor dem Hintergrund des Prozesses (Klage BUND) unterbrochen werden. Als dann die Arbeiten im Januar fortgesetzt werden sollten, brach durch die Corona-Krise die Holzabsatzmöglichkeit nach China zusammen. Die Arbeiten konnten nicht fortgesetzt werden. Seit Anfang März sprang die Nachfrage aus China wieder langsam an. Der Holztranport per Schiffscontainer dauert 6 Wochen, so dass in den Häfen Chinas das Ende März ab Antwerpen verschiffte Holz Mitte Mai dort eintrifft in dem Moment, wo die chinesische Wirtschaft wieder angesprungen ist. In dem Zeitraum von Ende Februar bis Mitte April wurden weitere ca. 15 000 Fichten im Stadtwald gefällt und zu einem großen Teil bereits abgefahren. Insgesamt ist es gelungen, ca. 2/3 der Schadhölzer einzuschlagen, aber leider nicht 100 %. Die unter der Rinde der nicht eingeschlagenen Fichten überwinternden Käfer sind jetzt ein Grund für die hohe Borkenkäferdichte. Die Situation ist im gesamten Bereich des benachbarten Bergischen Landes und des Westerwaldes ähnlich dramatisch. Überall ist es nur gelungen, im Winterhalbjahr einen Teil der Schadhölzer aufzuarbeiten, da der Schadholzanfall aus dem vergangenen Jahr einfach zu groß war.
Es wurden neue Bäume gepflanzt. Können Sie jetzt schon etwas über deren Entwicklung sagen?
Es wurden im November bis Dezember auf eine Fläche von 12 ha ca. 20 000 Eichen, Hainbuchen, Vogelkirschen und Ulmen gepflanzt mit dem Ziel, einen klimastabilen Mischwald zu pflanzen. Für eine Aussage über den Anwuchserfolg ist es jetzt noch zu früh. Neu gepflanzte junge Bäume, insbesondere Eichen, treiben im ersten Jahr erst immer relativ spät aus. Für Ende Mai plane ich eine stichprobenartige Inventur des Anwuchserfolges. Durch die Pflanzung im November-Dezember – der Boden war den ganzen Winter über bis Ende März seht gut durchfeuchtet – haben die jungen Bäume auf jeden Fall einen besseren Anwuchserfolg als bei einer Pflanzung jetzt im zu trockenen Frühjahr. Es muss aber dringend regnen, damit sich die Ausfälle in Grenzen halten. Die Inventur Ende Mai wird es zeigen.
Konnte sich denn Wasserhaushalt im Stadtwald nach den Regenfällen Anfang des Jahres einigermaßen stabilisieren?
Durch die Winterniederschläge – wir hatten im Winterhalbjahr ca. 30 % mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel – hat sich der Wasserhaushalt in den Böden im Siebengebirge in den oberen Bodenschichten bis zu einer Tiefe von ca. 60 bis 80 cm wieder stabilisiert. Die tieferen Bodenschichten sind aber immer noch zu trocken. Jetzt trocknet der Boden von oben wieder aus. Die oberste Bodenschicht von 25 cm ist schon wieder stark ausgetrocknet. Von einer wirklichen Stabilisierung kann man also nicht sprechen.
Wenn wir auch in diesem Jahr wieder einen sehr trockenen Sommer bekommen: Mit welchen Konsequenzen müssen wir im Stadtwald rechnen?
Schon jetzt nach den viel zu warmen Tagen im April zeichnet sich ab, dass sich die Borkenkäferkatastrophe im Stadtwald und in allen Fichtenwäldern in der Region in diesem Jahr fortsetzen wird. Es wird versucht, so viel Holz wie auf den Märkten abzusetzen ist, einzuschlagen. Dabei wird man sich nun auf die frisch befallenen Bäume konzentrieren. Bei den Schadbäumen aus dem letzten Jahr hat sich die Holzqualität in den letzten Wochen wegen der großen Trockenheit durch tiefe Trockenrisse im Holz so sehr verschlechtert, das dieses Holz kaum noch als Sägeholz zu verwenden ist. Wenn man daraus Bretter und Balken sägt, dann fallen diese an den Rissen auseinander. Dieses Holz wird weder von der einheimischen Sägeindustrie noch von den Holzhändlern in China übernommen. Daher werden zunächst viele abgestorbene Fichten in den Wäldern stehen bleiben. Entlang der Hauptwanderwege werden diese dann aus Sicherheitsgründen sukzessive gefällt. Dies wird sich bis in das Jahr 2021 hinziehen. Das Holz dieser „schlechten Fichten“ wird zu Holzhackschnitzeln verarbeitet und in Biomassenkraftwerken zur Energieerzeugung genutzt.
Videobeitrag vom 23.8.2019
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Der Gegensatz ist aber nicht, entweder alles stehen lassen oder alles mit dem Harvester abräumen. Wichtig ist zu verstehen, dass 1.) eine Borkenkäferbekämpfung zum Schutz der restl. Bäume erfolglos bleibt, weil dürregeschwächte Bäume auf jeden Fall befallen werden. Das zeigen spätestens die vergangen Jahre der erfolglosen Bekämpfung sehr deutlich.
2.) der Erhalt einer möglichst umfaassendenm Waldkulisse aus toten Bäumen erheblich dazu beiträgt, die negativen Klimafolgen zu mindern. Selbst wenn man die Bäume nur liegend auf der Fläche erhält, sind sie Sonnen- und Windschutz für den späteren Wald, gleich ob aufgeforstet oder naturverjüngt.
Das Räumen der Bäume dient nicht dem Schutz des Waldes, sondern dient wirtschaftlichen Interessen. Auch das wäre ja noch verständlich, läge der Stadtwald nicht im Naturschutz- und FFH-Gebiet und gäbe es nicht die Option, aus Geldern des Naturschutzgroßprojektes Verkaufsverluste aufzufangen.
Andere sind da weiter: https://www.ksta.de/region/rhein-sieg-bonn/hennef/natursteig-sieg-tote-nadelhoelzer-wurden-gekappt-nach-borkenkaeferplage-36561198?dmcid=sm_fb_prs