Bad Honnef – Waldökologe Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde sieht das „großflächige Ausräumen des Waldes“ kritisch, berichtet der SPIEGEL in seiner neuen Ausgabe. Geschädigte und tote Bäume sollten laut Ibisch so weit wie möglich im Wald verbleiben. Sie spendeten Schatten, böten Lebensraum für verschiedene Gegenspieler von Schädlingen und würden dabei helfen, neuen Boden zu bilden und Wasser auf der Fläche zu halten. Wenn man jetzt alles ausfege, räume und putze, bekäme man nur trockene und sich stark erwärmende Flächen, auf denen am Ende gar nichts mehr wachse.
Auch im Bad Honnefer Stadtwald ergriff die Forstwirtschaft drastische Maßnahmen, um der Borkenkäferplage etwas entgegenzusetzen. 15.000 geschädigte Fichten wurden entsorgt, ersatzweise auf 12 ha ca. 20 000 Eichen, Hainbuchen, Vogelkirschen und Ulmen gepflanzt mit dem Ziel, einen klimastabilen Mischwald zu schaffen. Mit welchem Erfolg, hat die Stadt noch nicht mitgeteilt. Ein Video von Honnef heute (gedreht am Freitag) gibt einen kleinen (optischen) Eindruck.
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Unterdessen kritisiert der BUND Rhein-Sieg erneut den massiven Einschlag der Borkenkäferfichten. Er sei ein Irrweg. Der Glaube lokaler Förster, dass mit dem Einschlag hunderter und tausender Hektar Forstfläche noch verbliebene Fichten für etliche weitere Jahre vor einem Befall gerettet werden könnten, sei unbegründet, behauptet BUND-Sprecher Achim Baumgartner. Frühere Erfahrungen aus punktuellen Sturmereignissen der letzten Jahrzehnte ließen sich auf einen tiefgreifenden Klimawandel nicht übertragen. In den allseits geschwächten Fichtenbeständen entwickele sich der Borkenkäfer flächendeckend und losgelöst von den ersten Schwerpunkten einer Käferentwicklung.
Baumgartner: „Weder die klaren Hinweise der Klimaforscher noch die Appelle der Naturschutzverbände oder gar die staatlichen Naturschutzbehörden haben bislang die auf die Borkenkäfer folgende Zerstörungswelle durch den Kahlschlag der Forstwirtschaft aufhalten können.
Selbst in FFH-Gebieten oder gar in FFH-Gebieten mit dort angesiedelten staatlichen Naturschutzprojekten (Life+-Projekt in den Villewäldern oder Naturschutzgroßprojekt chance.7 im Siebengebirge) unterlägen naturschutzfachliche Zielsetzungen der fixen Idee des „rettenden“ Großeinschlags.“ Für den BUND-Sprecher insofern bemerkenswert, weil auch im Forstgesetz des Landes größere Kahlschläge wegen der erheblichen negativen Umweltwirkungen regulär verboten seien und das Dauerwaldkonzept (als Alternative zum Altersklassenforst) und der Wert der Naturverjüngung eigentlich von vielen Förster*innen und vom Land NRW mitgetragen werde.
Für Baumgartner stehen öffentliche wie private Waldbesitzer vor einem Scherbenhaufen. Die toten Fichten als Wetterschutz und Basis einer leichteren Wiederbewaldung seien bereits großflächig abgeräumt. Die wertvollen Böden, deren Qualität über die Lebensaussichten des zukünftigen Waldes entscheiden würden, seien großflächig verdichtet, zerstört oder starken Witterungsschwankungen ausgesetzt. Die Naturverjüngung typischer Arten des Dauerwaldes sei auf den Kahlschlagflächen erschwert. Die den Kahlschlägen benachbarten Laubbäume litten zusätzlich unter dem Klimastress, der von den großflächigen Kahlschlägen mit seinen thermischen Aufwinden ausgehe.
Die Armada der Harvester tauge nicht für den Wald der Zukunft, den Dauerwald mit einer einzelstammweisen Baumnutzung.
Baumgartner fordert zwei für ihn wesentliche Dinge: Einen Stopp des Kahlschlags, der ein Irrweg sei, und einen breiten Dialog, der neue Wege aufzeigen könne. Ein Dialog, ohne einen Stopp des Kahlschlags, so wie er in Bad Honnef aktuell betrieben werde, sei für ihn kein Dialog. Er gleiche einem Hinhalten, bis abschließend vollendete Tatsachen geschaffen worden seien.
Mit einem alten neuen Impuls versucht zurzeit der SPD-Bürgermeisterkandidat Klaus Munk Bewegung in die Auseinandersetzung um den Umgang mit den heimischen Wäldern zu bringen. Er regte erneut eine Diskussion über einen Nationalpark Siebengebirge an. Der wurde 2009 bei einem Bürgerbegehren von über 60 Prozent der Bad Honnefer Wahlberechtigten verhindert. Die Bonner Rundschau zitierte 2016 in einem Beitrag die Geografin Janina Delp, die eine Masterarbeit über die Art der Auseinandersetzung in der Region geschrieben hat: „Die Berichterstattung – und damit die Diskussion in der Öffentlichkeit – habe sich gar nicht so sehr um das eigentliche Thema gedreht, nämlich um den Naturschutz. „Vielmehr ging es in dem medial repräsentierten Nationalparkdiskurs um einen raumgezogenen Machtkampf zwischen Politik und Bürgerschaft einerseits und um die regional vorherrschenden sozioökonomischen Missstände andererseits – mit letztlich schädlicher Wirkung für das kollektive Verständnis vom Begriff ,Nationalpark’ in der Region.“ Und zum Votum: „Das hätte anders laufen können – Man hätte die Idee des Nationalparks von Anfang an besser erklären und weniger mit Tourismus und Wirtschaft argumentieren sollen“.
Dass ein Nationalpark gerade wegen des Borkenkäfers eine Diskussion wert sein könnte, belegt die Tatsache, dass hier Konzepte ein eigenes Borkenkäfermanagement vorsehen, beispielsweise im Nationalpark Schwarzwald. Auf der Website des Nationalparks heißt es unter anderem, der Borkenkäfer gehöre wie alle anderen Tiere zum natürlichen Kreislauf dazu und schaffe Lebensräume für andere Tiere und Pflanzen, indem er den Wald lichter mache. Auch wenn viele abgestorbene Bäume in einem Wald stünden, so sei dieser noch lange nicht tot. Junge Bäume würden nachwachsen, ein natürlicher Kreis nehme seinen Lauf.
Für Baumgartner verrät der neuerliche Hinweis auf die Nationalparkdiskussion für das Siebengebirge übrigens, „dass es andere Wege gibt, als das Siebengebirge (und all‘ die anderen FFH-Gebiete) sinnlos zu zerstören. Wir brauchen einen Diskurs um neue Lösungen in einer Welt des Wandels“. Dabei lässt er offen, ob im Laufe eines solchen Diskurses „ein vielleicht diesmal z. B. von lokalen Trägern selbst verwalteter Nationalpark Siebengebirge oder Siebengebirge / Bergisches Land steht oder ein anders konzipiertes Schutzkonzept“.
Dass bisherige Vorgehensweisen gegen Borkenkäfer und Waldzerstörung nicht der Weisheit letzter Schluss sein müssen, versucht Waldökologe Pierre Ibisch im bereits erwähnten SPIEGEL-Beitrag zu erklären. Gegen die Käfer helfe die Strategie des leeren Waldes auch nicht: „Wenn man nicht im richtigen Moment wirklich fast alle betroffenen Bäume wegbringt, hat man keine Chance.“ Deswegen habe auch die Borkenkäferbekämpfung der vergangenen Jahre nicht gefruchtet.“
Er plädiere dafür, Waldbesitzer im Zweifel auch fürs Nichtstun zu entschädigen. „Vielleicht würde das einige ermutigen, einfach einmal ein bisschen abzuwarten, anstatt mit schwerem Gerät in die Wälder zu fahren. Dort richtet man nur noch weitere Schäden an.“