Digitaler Fortschritt in Bad Honnef ist wie in früheren Jahren Frauenfußball beim DFB: wollen wir nix mit zu tun haben. Große Teile der städtischen Geschäftswelt haben ihren Teil dazu beigetragen, scheu(t)en die Entwicklung wie der Teufel das Weihwasser. Versuche verschiedener (idealistischer) Anbieter, den Handel ins Netz zu bekommen, schlugen kläglich fehl.
Dann sprudelten Fördergelder. Besonders die GRÜNEN sind bei solchen Angeboten kiwief: „Am 31. fahren Thomas Bock, Georg Zumsande, Helmut Böndel und Burkhard Hoffmeister zum Wirtschaftsförderer des Rhein-Sieg-Kreises, Dr. Hermann Tengler. Als Kreistagsmitglied hatte Hoffmeister ein Förderprogramm der EU entdeckt, das stationären und Internethandel zusammendenkt – und den Termin vermittelt. Tengler hört zu und unterstützt nach Kräften“, schreibt die Honnefer Wochenzeitung.
Da waren sich Neuhoff und Hoffmeister noch gut. Der Bürgermeister sprang auf den Zug und kurbelte – wie man ihn kennt – an. Auch Skepsis aus Fachkreisen ließ ihn nicht zweifeln. Kiez kam! Mit Unterstützung der Bad Honnefer Politik und einem Rucksack voller Realitätsferne. Wie groß digitale Unwissenheit im politischen Raum ist, hat nicht zuletzt die Rezo-Diskussion aufgedeckt. Bad Honnef steckt da noch viel tiefer im Unterholz. Die Zukunft des Bad Honnefer Einzelhandels liegt auch nicht ansatzweise in einem städtischen Onlineshop.
Nun ist der Katzenjammer groß: wenig Händler, wenig Kunden, wenig Umsatz. Bis 2022 kein Land in Sicht, rechnet die Verwaltung vor und will dennoch an dem Onlineportal festhalten. Weil digital ja die Zukunft ist. Es müssen halt nur die Händler, Kunden und Investoren umdenken. Kein Wort in der Verwaltungsvorlage über konzeptionelle und strukturelle Schwächen des Projekts „Kiezkaufhaus“. Wurde im Vorfeld analysiert, ob Bad Honnef überhaupt der richtige Standort für eine solche Innovation ist?
Die Begründung für eine Fortführung des Onlineportals liest sich, als würde nach 2022 alles gut. Hauptsache ein Lebensmittelhändler macht mit. Denn bei Gesprächen mit anderen Plattformbetreibern sei deutlich geworden, dass mehr als die Hälfte der Umsätze aus dem Handel mit Lebensmitteln erzielt werden. Wer allerdings verkauft in der City Lebensmittel? Warum sitzt dann beispielsweise HIT nicht mit im Boot?
Auch die jüngst angedeuteten Perspektiven der früheren Kaiser’s-Filiale in der City stehen nicht für Rettung des Onlineshops. Erstens stünde eine Eröffnung frühestens 2020 nach dem Umbau an (es ist noch kein Vertrag unterschrieben), zweitens soll es sich nach aktuellem Stand weder um einen Vollversorger noch um ein „normales“ Lebensmittelgeschäft handeln.
Ebenfalls problematisch dürfte das ab August in Bad Honnef zur Verfügung stehende Vorteilsangebot der Kreissparkasse Köln für das Kiezkaufhaus sein. Es schließt mit S-Erleben rabattierte Kaufmöglichkeiten bei über 1.300 regionalen, bundesweiten und Online-Partnern ein.
Und angesichts der Kosten: Warum sollen Steuerzahler eigentlich ein Projekt für Gutbetuchte finanzieren? Denn der Einkauf im Kiezkaufhaus einschließlich Lieferung ist teuer.
Fragen über Fragen. Die Antwort kann eigentlich nur heißen: Keine weitere Verschwendung von Steuergeldern. Bad Honnef muss sich digital entwickeln, ein Kiezkaufhaus wie dieses ist jedoch nichts anderes als eine teure Spielerei. Es gibt interessantere Möglichkeiten. Bonn und Rhein-Sieg-Kreis zusammendenken wäre (vielleicht) eine.
Kommentar wurde aktualisiert. Erstveröffentlichung 7.6.2019.