Bad Honnef/Bonn – 2018 ging Bad Honnef mit der Webplattform kiezkaufhaus.de online. Die Stadt hatte die Hoffnung, dem stationären Einzelhandel aus der Dauerkrise verhelfen zu können und umweltfreundlichen Lieferservice zu bieten. Sie sah sich auch beim Onlinevertrieb des Einzelhandels als Vorreiter der digitalen Entwicklung im Rhein-Sieg-Kreis, wenn nicht sogar in NRW. Denn das Projekt wurde mit 100.000 EUR Landesmitteln finanziert, hinzu kamen weitere 100.000 EUR direkt vom Bad Honnefer Steuerzahler.
Schnell wurde klar, dass das Vorhaben Kiezkaufhaus Bad Honnef, so wie geplant, nicht funktioniert. Von 160 anvisierten zahlenden Einzelhändlern ließen sich zu den besten Zeiten gerade einmal knapp über 30 auf der Plattform eintragen. Heute sind es nur noch 20. Und das, obwohl im Sommer 2022 eine Namensänderung vorgenommen wurde: aus Kiezkaufhaus Bad Honnef wurde Rheinkaufhaus. Nachdem das Mutter-Kiezkaufhaus in Wiesbaden bereits 2020 wegen Erfolglosigkeit die Segel strich, machte Bad Honnef mutig weiter. Womöglich wegen der Fördergelder, die üppiger flossen, als das Geld der Kunden in die Kiezkaufhauskasse.
Statt eventuell besser rechtzeitig unter den unternehmerischen Flop einen Schlussstrich zu ziehen, suchte sich Bad Honnef Partner. Die fand die Stadt neben der IHK Bonn/Rhein-Sieg und dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) auch mit dem Einzelhandelsverband Bonn-Rhein-Sieg-Euskirchen. Mit seinen 8.500 Einzelhandelsunternehmen ist der Einzelhandel der drittgrößte Wirtschaftszweig in Bonn, sowie den Landkreisen Rhein-Sieg und Euskirchen. Der Verband sieht sich als Sprachrohr des Handels, setzt sich für seine wirtschaftlichen und ideellen Interessen ein und ist als Träger öffentlicher Belange Ansprechpartner für Politik und Verwaltung in den 23 Kommunen der Region.
Handelt sich um ein länger angelegtes Projekt
Doch trotz des rührigen Vorsitzenden, Jannis Ch. Vassiliou, der mit seinem eigenen Juweliergeschäft mit einer Art Visitenkarte (er hat einen eigenen Onlineshop) auf rhein-kaufhaus.de vertreten ist, blieb bislang der große Zustrom aus. Bislang gerade einmal sieben der 8.500 Einzelhandelsunternehmen sehen als Neuzugänge offensichtlich in der Onlineplattform einen Nutzen. Neben der eigenen Bad Honnef-Kollektion, kommen zwei weitere Anbieter aus Rheinland-Pfalz.
Vassiliou kommentiert die Zurückhaltung gelassen. Den Beteiligten sei klar, dass es sich bei der Plattform um ein länger angelegtes Projekt handelt, teilt er auf Anfrage von Honnef heute mit. In gleicher Weise sei auch für ihn die Digitalisierung des stationären Einzelhandels ein länger angelegter Veränderungsprozess. Sollten sich weitere Kommunen beteiligen, werde die Händlerakquise in den entsprechenden Kommunen intensiviert, verspricht er. Er hat die Hoffnung, dass durch das breitere Produktangebot mehr Kundinnen und Kunden angesprochen werden und die Plattform längerfristig erfolgreich bestehen bleibt.
Mit welchem Erfolg sich die neuen Mitglieder seines Verbandes an der Plattform beteiligen, kann der Vorsitzende nicht sagen: „Entsprechende Daten liegen uns nicht vor. Ziel der Plattform ist es aber selbstverständlich, durch eine digitale Präsenz der Unternehmen mehr Verkäufe zu generieren.“
Mit Daten zu dem Onlineangebot tut sich auch die Stadt Bad Honnef immer wieder schwer. Mehrfach hat Honnef heute in den letzten Jahren bei der Stadtverwaltung nach Umsatzzahlen, Einnahmen, Ausgaben etc. gefragt. Konkrete Antworten blieben aus. Lieber verschickte man Gegendarstellungen und stellte die Entwicklung des Projekts stets erfolgreich dar.
Sinn oder Unsinn?
Anbieter äußern sich je nach Branche unterschiedlich. Für Elfi Thudt von Fisch Stuch hat das Rheinkaufhaus vor allem während der Coronazeit einen Nutzen gebracht, sagte sie in einem WDR-Beitrag. Trotzdem stand ihr Geschäft auf der Kippe und bald startet sie mit neuem Konzept. Sabine Reinhardt vom „Rollenden Atelier“ hat einen eigenen Onlineshop, ist aber auch auf rhein-kaufhaus.de verlinkt. Für sie ist ihr eigener Onlineshop sehr wichtig. Axel Schmidt von Intersport ist der Auffassung, man müsse heutzutage auf allen möglichen Plattformen vertreten sein. Auch Intersport verkauft über eigene Onlineshops.
Eine informative Datenermittlung zum Nutzen des Projekts seitens der Stadt oder auch des Centrum e.V., die ja eigentlich vorliegen müsste, wurde bislang der Presse nicht vorgestellt, was es sehr schwer macht, sich ein maßgebliches Urteil über Sinn und Unsinn des Rheinkaufhauses zu bilden. Für Bürgermeister Otto Neuhoff handelt es sich beim Rheinkaufhaus (ehemals Kiezkaufhaus) offensichtlich um eine Herzensangelegenheit und auch nach gut vier Jahren immer noch um ein Zukunftsprojekt. Schenkt man Kommentaren in sozialen Medien Glauben, finden einige den Lieferservice hilfreich und sympathisch, eine (subjektiv empfundene) Mehrheit hält ein Web-Angebot wie rhein-kaufhaus.de (früher Kiezkaufhaus) für nicht zielführend.
Klar ist: Der Einbruch bei der Kundenfrequenz in der Bad Honnefer Innenstadt wird immer wieder in Verbindung gebracht mit großen Onlineanbietern wie Amazon und allgemein den digitalen Shoppingsystemen. Dort wird mit einem Heer von IT-Spezialisten rund um die Uhr gearbeitet, damit die Auftraggeber im Netz entsprechend gefunden werden, Kunden interessiert und zum Kauf aufgefordert werden – Daten sammeln inclusive.
Für digitale Angebote im Internet sind Marketing- und Vertriebsfachleute erforderlich. Reicht das Personal der Stadt Bad Honnef aus, um diese Aufgaben lokal und überregional zu bewältigen?
Ohne künstliche Intelligenz (KI) läuft im i-commerce nichts mehr. Schwer vorstellbar, dass diese „Technik“ bereits im Rathaus Einzug gehalten hat. Oder in erforderlichem Maße bei News Media, der Firma, die jetzt statt Kiezkaufhaus Wiesbaden für die Technik der Plattform zuständig ist, implementiert ist. Wohlgemerkt: Konkurrenten sind international agierende digitale Shopanbieter mit Milliardenetats.
Weiter wie bisher oder anders denken?
Vielleicht ist es zu negativ gedacht, nach vier schlechten Jahren für das lokale Onlinegeschäft von einer hoffnungslosen Situation zu sprechen. Vielleicht läge aber auch eine größere Chance für den Einzelhandel darin, einmal alle Fakten über Kiezkaufhaus und Rheinkaufhaus auf den Tisch zu legen und dann zu überlegen: Weiter wie bisher oder anders denken?
Die Bürgerinnen Bad Honnefs dürfen gespannt sein, wie ihre lokale stationäre und digitale Einkaufswelt in den nächsten Jahren aussieht. Und ob ihre Stadt irgendwann auf Wikipedia als digitale Retterin des Einzelhandels notiert wird.
Das Projekt „Rheinkaufhaus“ sei zwar seit Beginn ein Kooperationsprojekt der Stadt Bad Honnef und des Einzelhandelsverbands, geführt werde die Plattform aber nach wie vor durch die Stadt Bad Honnef, teilt Jannis Ch. Vassiliou vom Einzelhandelsverband mit. Der Verband Bonn Rhein-Sieg Euskirchen beteilige sich hauptsächlich durch das Knüpfen von Kontakten und darauffolgende Gespräche mit Kommunen und Händlerinnen und Händlern in der Region Bonn, Rhein-Sieg Kreis und Euskirchen. Die Beteiligungskosten der Unternehmen lägen im niedrigen zweistelligen Bereich pro Monat.
Zum Schweigen zu den Umsatzdaten kann es keine zwei Meinungen geben. Dieser geistige Dünnschiss namens Rheinkaufhaus wird wohl erst beendet werden, wenn wir wieder einen Bürgermeister haben, der diesen Titel verdient. Das ist ja nicht mehr lange.
Außer einer Reihe von Neuzugängen zum engeren Hofstaat des Bürgermeisters unter dem Titel „Wirtschaftsförderung“ ist in den vergangenen Jahren nichts passiert. Und die Arbeitsnachweise dieser Neuzugänge sind nicht erkennbar.
Ist das nicht nach Bonn gewandert?
Fördergelder ausgelaufen?
Vermutl. wir das jetzt von einem anderen Fördertopf (unserem Steuergeld) bedient und läuft daher jetzt wieder für mindestens 2 Jahre unter Bonner-Flagge.
Frag doch mal nach und berichte uns anschliessend:
https://meinbadhonnef.de/rathaus-politik/wirtschaftsfoerderung/ansprechpartner/
oder einfach mal als Frage an unseren Bürgermeister – wird dann irgendwann auf einer Sitzung beantwortet … oder auch nicht. :-)
Ich habe leider gerade wenig Zeit.