Bad Honnef – Viele Stadtzentren leiden unter Leerstand. Fachleute gehen mittlerweile bei der Zukunft des stationären Handels von einem Paradigmenwechsel aus, einerseits verursacht durch den Onlinehandel, andererseits auch als Folge von Corona. Geschäfte mussten wegen ausbleibender Einnahmen schließen. Nun trifft es Unternehmen wegen steigender Energiekosten und fehlender Mitarbeiter.
Nicht jede Kommune hatte bislang ein glückliches Händchen, um mit dieser Situation erfolgreich umzugehen. In Bad Honnef soll es in der City bald 20 leerstehende Geschäftsräume geben. Das dürfte auch die Innenstadtgemeinschaft Centrum e.V. treffen, deren Mailverteiler 46 Adressen zählt. Jüngst musste sie aus Kostengründen das Rosenfest absagen.
Die Stadt hat mit ihrer Wirtschaftsförderung bislang keine Mittel gegen den Leerstand gefunden. Die Umsatzzahlen gehen in einigen, nicht allen Geschäften zurück, die Kunden werden weniger. Bad Honnef ging davon aus, mit dem Kiezkaufhaus den richtigen Hebel zu bewegen. Das Gegenteil war der Fall. Wie eine an sich zukunftsweisende Idee dermaßen scheitern konnte, wird sicherlich noch aufgearbeitet werden müssen. Immerhin verschlang das Projekt viel Geld und vor allem Zeit. Zeit, die der Wirtschaftsförderung verloren ging, bei der Entwicklung aussichtsreicherer Projekte.
„Wir packen das jetzt an!“, versprach Bad Honnefs CDU-Chef und Landtagsabgeordneter, Jonathan Grunwald, Dienstagabend im ALICEON von Jan Birkenstock. Dort präsentierten Fachleute ihre Vorstellungen zum Thema „Die Zukunft der Innenstadt“ und diskutierten anschließend darüber mit Bürgerinnen und Bürgern.
Prof. Nicolas Beucker (Gründer und Leiter des Kompetenzzentrums Social Urban Design an der Hochschule Niederrhein) war dabei, sowie Regina Rosenstock (Wirtschaftsförderin des Rhein-Sieg-Kreises) und Gudula Böckenholt (Partnerin und Projektleiterin CIMA Beratung + Management GmbH). Aus Emsdetten war per Video Michelle Dresemann zugeschaltet, die seit 2020 bei der Stadt für das Citymanagement verantwortlich ist.
Die Stadt von morgen hat für Nicolas Beucker viel mit einem Prozess des Denkens zu tun. Er wies auf das von ihm mitgestaltete Projekt Obsolete Stadt hin, bei dem es um Raumpotentiale für eine gemeinwohlorientierte, klimagerechte und ko-produktive Stadtentwicklung in wachsenden Großstädten geht. Drei Jahre lang untersucht das interdisziplinäre Forschungsprojekt, welche Flächen das Risiko haben, obsolet zu werden und welche für Anpassungsmaßnahmen geeignet sind.
Öffentliche Räume sollten laut Beucker verstärkt als Sozialräume gesehen werden, die von den Menschen entwickelt werden. Das setze voraus, dass sie die Politik experimentieren lasse, die temporäre Umstrukturierung von Räumen zulassen müsse. Wichtig sei eine gute Mischung aus Geschäften und Wohnraum. In diesem Zusammenhang warf Beucker die Frage auf, was eigentlich in dem Raum über den Geschäften geschehe.
Dass der Einzelhandel nicht am Ende ist, bestätigte Gudula Böckenholt. Er verliere zwar an Bedeutung, bliebe aber ein zentraler Anker. Laut der Deutschlandstudie Innenstadt seien die Einkaufsmöglichkeiten in den Städten für die meisten Konsumenten immer noch das Wichtigste, so Böckenholt. Lediglich für jüngere Menschen sei das Kriterium nicht mehr so bedeutend. Sie würden die Stadt auch als Erlebnisraum sehen.
Wichtig ist für Böckenholt die Vernetzung der Akteure. Immobilienbesitzer spielten eine große Rolle, nicht nur bei der Mietgestaltung, sondern auch bei der Vermietung schlechthin. Denn nicht jedes Angebot passe zusammen und so könnten potenzielle Neumieter von ihrem geschäftlichen Engagement abgehalten werden, harmoniere das Business des Nachbarn nicht mit dem eigenen. Aber auch leere Geschäfte mit zugeklebten Fensterscheiben trügen nicht unbedingt dazu bei, dass es schnell zu einer Neuvermietung käme.
Um die Zukunft der Innenstädte positiv zu gestalten, sind für Gudula Böckenholt unter anderem drei Dinge wichtig: das Angebot muss attraktiv sein, Vermieter müssen für die Herausforderungen sensibilisiert werden und die Stadt muss den Menschen eine hohe Erlebnisqualität bieten. Ihr Fazit: Es brauche viel Engagement, Kommunikation und Vernetzung.
Weil das alles natürlich Geld kostet, ist die Wirtschaftsförderin des Rhein-Sieg-Kreises, Regina Rosenstock, ein Fan von Förderprogrammen. So hat die Stadt Emsdetten (35.600 Einwohner) das „Sofortprogramm Innenstadt“ des Landes NRW genutzt und scheint auf einem guten Weg zu sein. Aus dem Fördertopf werden 80 Prozent der Mieten finanziert, sodass die Chancen für Neugründer und Start-ups ungleich größer sind, sich mit ihrer Geschäftsidee zu etablieren. Michelle Dresemann, die seit 2020 mit einer vollen Stelle Citymanagerin ist, berichtet, dass 12 Mietverträge abgeschlossen werden konnten und drei weitere in Vorbereitung sind. Bisher hätten es lediglich zwei Unternehmen wegen der gestiegenen Energiekosten nicht geschafft, jedoch würde gemeinsam nach anderen Lösungen gesucht.
Zielgruppe des Projekts gegen den Leerstand in Emsdetten seien Menschen, die ernsthaft an einer Gründung interessiert sind und aus der näheren Umgebung kommen. Das Interesse der Geschäftsgründer habe man unter anderem mit einem Wettbewerb geweckt. Viel Überzeugungskraft hätte es gekostet, die Vermieter mit ins Boot zu holen.
Um das Projekt nicht von vornherein scheitern zu lassen, hätten die Verantwortlichen die Bürgerinnen und Bürger direkt einbezogen und sie gefragt, welche Geschäfte sie sich wünschten. Für die Moderatorin des Abends, Susanne Langguth, das Stichwort, um darauf hinzuweisen, dass man die Bürgerinnen und Bürger bei der Zukunftsgestaltung der Innenstadt mitnehmen müsse.
Positiv, dass sich die Politik nach einer Zeit des Stillstands um das so wichtige Thema Zukunft Innenstadt kümmert. Viele Bürgerinnen und Bürger fanden den Weg in das ALICEON, hingegen war die Beteiligung anderer Parteien eher spärlich. Die Wirtschaftsförderung der Stadt war nicht vertreten.
Hoffnung: Nachdem die Stadt Bad Honnef es bisher versäumt hatte, sich an dem NRW-Sofortprogramm Innenstadt zu beteiligen, will sie nun 2023 Fördergelder beantragen.