Manchmal fragt man sich, ob Digitalisierung in Deutschland einfach ein Märchen aus dem Silicon Valley ist – oder eine Realsatire aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Wer sich dort etwa mit seinem Kfz-Schein befassen will, erlebt hautnah, wie Verwaltung 4.0 nicht funktioniert.
Zuerst greift man zum Telefonhörer – ganz analog, aber hoffnungsvoll. Es klingelt, es rauscht, es vergeht die Zeit. Nach mehreren Minuten der wenig inspirierenden Warteschleifenmusik hebt schließlich eine bemüht freundliche Stimme ab und erklärt, was man ohnehin schon ahnte: Termine gibt es nicht. Also nicht für Sie. Außer Sie sind ein Frühaufsteher und stehen morgens zwischen 7.30 und 8 Uhr Schlange. Bürgernähe im Morgengrauen.
Aber Moment – wir leben ja in digitalen Zeiten! Also klickt man sich durch das Onlineportal, in dem man nur 14 Tage in die Zukunft sehen darf. Alles andere wäre zu viel Transparenz. Dort liest man dann Sätze wie: „Falls Ihnen aktuell keine Termine angeboten werden, bedeutet dies lediglich, dass zur Zeit in den folgenden 14 Tagen nichts frei ist.“ Hä? Man solle bitte immer mal wieder reinschauen – eine schöne Umschreibung für: „Viel Glück beim digitalen Lotto!“
Man kennt das ja von Ticketbörsen oder Sneakers-Verkäufen: Wer zuerst klickt, gewinnt. Nur geht’s hier nicht um rare Turnschuhe, sondern um Behördenleistungen. Die digitale Verwaltung des Rhein-Sieg-Kreises gleicht also einem Gameboy-Spiel aus den 90ern – mit ähnlich hoher Absturzquote.
Am Ende bleibt nur der Gang zum Kreishaus. Mit Thermoskanne und Klappstuhl, wie früher beim Sommerschlussverkauf. Digitalisierung bedeutet hier nämlich nicht „weniger Behördengänge“, sondern „mehr Onlinefrust bei gleicher Wartezeit“.
Liebe Verwaltung: Vielleicht einfach mal in Estland anrufen – sofern dort jemand noch ans Telefon geht.
Diskussion